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Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition)

Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition)

Titel: Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition)
Autoren: Víctor Conde
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meine Angst und die Paranoia erzählt habe, war eine glatte Lüge. Die Wahrheit ist, dass ich ein Strafengel in Ausbildung bin. Und ja, natürlich gibt es jedes Mal, wenn ich gegen das Böse kämpfe, auch Kollateralschäden. Leute sterben und so. Sehr bedauerlich, oder?«
    Peinlich.
    Er saß auf der Rückseite der Lagerhalle auf einer Mauer und blickte auf das angrenzende Gelände, eine von tiefen Kratern durchzogene Brachfläche, auf der die Witzbolde von den Special Effects ihre Artillerie ausprobierten.
    Sandra riss ihn aus seinen Gedanken. »Ich soll dir im Namen des Teams sagen, dass sie dir nicht böse sind«, erklärte sie, die Hände in den Hosentaschen vergraben. »Eigentlich freuen sie sich nämlich sehr, dich zu sehen.«
    »Den Eindruck hatte ich nicht.«
    Sandra kletterte zu ihm auf die Mauer und baumelte mit den Füßen wie ein Kind. Ein besonderes anatomisches Merkmal waren ihre viel zu dünnen Beine. Wenn man nur ihre Beine sah, konnte man meinen, sie leide unter Magersucht. Der übrige Körper war aber wohlproportioniert. Sie selbst beschwerte sich hin und wieder über die »Zahnstocher«, die ihr die Natur anstelle von Oberschenkeln geschenkt hatte, und verglich sich selbst mit einer Seiltänzerin mit Absätzen.
    »Du musst verstehen, dass es uns in den letzten Tagen richtig dreckig ging. Während du dich wie ein Vogel Strauß verhalten hast«, sagte sie mit einem vorwurfsvolleren Unterton, als sie beabsichtigt hatte, »mussten wir hier weiterarbeiten, um den Produktionsplan einzuhalten. Die Maschinerie dreht sich weiter, zumal beim Film, wo jede Minute ein Vermögen kostet. Nicht einmal ein Todesfall kann sie aufhalten. Du weißt ja, wie es ist.«
    »Ich weiß. Jetzt, wo ich darüber nachdenke, sehe ich auch, dass ich mich egoistisch verhalten habe. Ich hatte mir eingebildet, irgendwelche Leute hätten sich gegen mich verschworen oder so. Als ich mich da in den Bergen vom Acker gemacht habe, waren sie noch wohlauf. Ich dachte, sie würden mich weiter verfolgen.«
    »Du meinst eine Verschwörung à la Brandon Lee? Die chinesische Mafia verschwört sich gegen dich und will dich beseitigen, weil du die Schulden deines Vaters nicht beglichen hast?«
    Erik warf einen Kieselstein in einen der Krater. Er traf aber nur den Rand, der Stein prallte ab und sprang wieder heraus. »Lächerlich, oder?«
    »So ist die Welt der Unterhaltungsindustrie«, grinste sie. »Die Lächerlichkeit ist hier an der Tagesordnung.«
    Erik legte ihr den Arm um die Schulter. »Ich würde wirklich gerne bleiben, aber ich kann nicht«, sagte er so feierlich, als verabschiedete er sich gerade für immer von seiner Familie.
    Sie sah ihn an. »Versprich mir, dass es nicht wegen der chinesischen Mafia ist.«
    »Natürlich werde ich von keiner Mafia bedroht.« Es sei denn, ein Heer von Teufeln kann als solche betrachtet werden. »Nein, es ist wegen etwas anderem. Ich werde für eine Zeit das Land verlassen müssen.«
    »Du willst kündigen? Der Produzent hält dich zwar für ein Arschloch, aber du bist und bleibst der beste Stuntman, den wir haben.« Sie zeigte mit dem Daumen hinter sich. »Ich habe eben gehört, wie er zu jemandem gesagt hat, dass er deinen Vertrag verlängern würde, wenn du es willst.«
    Erik schüttelte den Kopf.
    »Es tut mir leid, Sandra. Wirklich. Aber ich kann nicht bleiben. Und ich kann dir auch nicht sagen, warum ich gehe. Du und die anderen werdet mir verzeihen müssen. Wenn ihr das noch könnt.« Auch das geriet ihm ein bisschen zu feierlich, als rezitierte er den Monolog eines Drehbuchs. Er musste noch an einen weiteren Schauspieler denken, dem er unfreiwillig ähnlich sah, aber sein Name fiel ihm gerade nicht ein. Bruce Willis? Nein, der andere.
    Sie zuckte mit den Achseln. Die Geste war ganz schön trivial. Erik nahm an, dass sie alle schon genug geweint hatten. Dass die Trennung nun, da sie sich schon einmal mit ihr abgefunden hatten, etwas ganz Normales für sie war.
    »Wie du willst. Aber schreib uns hin und wieder mal eine E-Mail, damit wir wenigstens wissen, dass es dich noch gibt.«
    »Das mach ich. Versprochen.« Er beugte sich vor, um ihr einen Kuss zu geben, aber sie wich ihm aus. Sie sprang von der Mauer und ging davon. Ihre Hände kehrten wieder an ihren gewohnten Platz in den Hosentaschen zurück.
    Erik stieß einen langen, phlegmatischen Seufzer aus. Wieder sah er zu, wie ein Mädchen aus seinem Leben verschwand. So wie sich die Dinge entwickelten, hatte er in der realen Welt bald keine
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