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Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition)

Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition)

Titel: Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition)
Autoren: Víctor Conde
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schließlich zu den Kulissen kam, hatte die Nachricht von seiner Ankunft längst die Runde gemacht, und einige Kollegen erwarteten ihn mit Tränen in den Augen an der Tür.
    Darunter auch Sandra. Das Mädchen aus der Kostümabteilung, die ihm so gut gefiel. Als sie ihn am Ende des Flurs auftauchen sah, rannte sie auf ihn zu und drückte ihm einen langen Kuss auf die Lippen. Erik wirbelte sie durch die Luft, so sehr freute er sich über die überschwängliche Begrüßung.
    Mit der Stimme eines romantischen Liebhabers à la Marcello Mastroianni, der zu seinen Lieblingsschauspielern zählte, sagte er: »Sieht ganz so aus, als hättet ihr mich vermisst!«
    Sandra gab ihm eine satte Ohrfeige. »Hoffentlich kommst du nicht ohne eine plausible Erklärung, wo du gewesen bist und warum du nicht angerufen hast.« Sie spuckte ihm die Worte buchstäblich ins Gesicht, wobei sie ihm gleichzeitig einen Fingernagel in die Brust bohrte. »Solltest du nämlich auch nur eine Sekunde geglaubt haben, dass du hier einfach so auftauchen kannst, als wärst du nur eben Zigaretten holen gewesen, dann hänge ich dich höchstpersönlich an dem Kran da oben auf.«
    »Yeah, Sandra, gib’s ihm!«, schrie jemand im Hintergrund, der sich für besonders witzig hielt.
    Erik rieb sich die schmerzende Wange. »Hey! Verdammt. Wie brutal bist du denn drauf?« Er duckte sich weg, als Sandra noch einmal ausholte. »Okay, okay. Schon gut. Es gibt eine Erklärung. Ich war nicht Zigaretten holen. Es ist … viel … realistischer. Tragischer.« Er setzte ein Gesicht auf, als suchte er vergeblich nach dem richtigen Adjektiv. »Düsterer? Grotesker? Wahnsinniger?«
    »Du bist ein Idiot«, diagnostizierte sie und schlang wieder die Arme um seinen Hals. Erik seufzte erleichtert. Wenn auf jede Ohrfeige ein Kuss folgte, würde er sich ein bisschen von ihr malträtieren lassen. Aber wirklich nur ein bisschen.
    Natürlich hatte Erik an ein Alibi gedacht. Es war ihm auf dem Rückflug eingefallen, und im Taxi hatte er noch ein wenig daran herumgefeilt, bis es in seinen Ohren nicht mehr ganz so unglaubwürdig klang. Ja, Herr Inspektor, ich war da oben auf dem Hügel, als die Fahrer plötzlich durchgedreht sind. Sie haben versucht, mich mit der Stoßstange zu rammen. Ich konnte mir nicht erklären warum, mein Verhältnis zu den beiden war eigentlich immer herzlich. Natürlich hatte ich nur noch einen Gedanken: So schnell wie möglich abzuhauen. Das ist eine ziemlich normale Reaktion, wenn mehrere Typen dich umbringen wollen. Es war der reinste Horror. Vor lauter Panik habe ich mich in einem Hotel versteckt und erst nach ein paar Tagen wieder herausgetraut. Sí Señor . Ich weiß, es wäre meine bürgerliche Pflicht gewesen, die Polizei zu verständigen. Aber ich war wie traumatisiert. Plötzlich sah ich sie überall. Sie rasen auf mich zu! Sie kommen aus allen Richtungen!
    Na ja, das klang doch mehr oder weniger glaubhaft.
    »Und das ist auch schon alles: Ich hatte Angst und musste mich verstecken, für den Fall, dass sie mir immer noch etwas anhaben wollten«, schloss er vor versammelter Mannschaft inklusive Regisseur, Produzent und des kompletten Stuntteams.
    »Dir ist nicht mal der Gedanke gekommen, dass du uns kurz anrufen könntest, damit wir beruhigt sind, und sei es aus einer anonymen Telefonzelle oder einem Internet-Café? Oder einfach nur eine E-Mail ans Büro oder an einen Kollegen zu schicken?«, fragte der Regisseur verärgert. »Weißt du eigentlich, was die Leute hier durchgemacht haben? Wie schrecklich das war, nicht zu wissen, ob du noch irgendwo da draußen liegst, ohne …?«
    »Okay, okay.« Erik wurde rot. »So schlimm ist es jetzt auch wieder nicht.«
    »Ach, ja? Tatsächlich? Du hast nicht gesehen, in welchem Zustand Tatianas Körper war, du Arschloch!«, sagte ein Mädchen aus dem künstlerischen Team. Sie war richtig sauer. Erik begriff, dass seine lockere Art die Gefühle derer verletzte, die diesen Höllentag persönlich miterlebt hatten. Er fragte sich, wie viele von ihnen die vier aufeinanderfolgenden Beerdigungen besucht hatten.
    Während der nächsten Stunden kam er sich wirklich wie ein Arschloch vor. Er schämte sich sogar, dass er überlebt hatte. Nicht einmal die Tatsache, dass er die Hintergründe kannte, dass er wusste, was den vier Menschen passiert war, diesen Pechvögeln, die von Dämonen besessen wurden, konnte ihn trösten.
    Und wie hätte er es auch erklären sollen? Nein, Herr Inspektor, hören Sie zu: Was ich Ihnen über
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