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Bote ins Jenseits

Bote ins Jenseits

Titel: Bote ins Jenseits
Autoren: Hauke Lindemann
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das, was Kamp jetzt erblickte, war diese Mall jedoch vergleichsweise klein.
    Riesige Säulen erhoben sich vor ihm. Sie mochten bestimmt einen Durchmesser von vier Metern haben, ragten schier endlos in die Höhe und verzierten die Front eines ebenso hohen Gebäudes. Auf jeder der Säulen thronte ein mannshoher, steinerner Buchstabe aus dem gleichen Schriftzeichensatz, den man bei der Beschriftung der Tür verwendet hatte. Die Säulen waren in einem Abstand von jeweils etwa zwanzig Metern entlang der Mitte des Gebäudes aufgereiht. Rechts und links von der Säulenreihe war es jeweils noch mal so breit. Alles war in Weiß und verschiedenen Grautönen gehalten. Nur die Buchstaben auf den Säulen waren pechschwarz.
    Er kam sich entsetzlich klein und unbedeutend vor.
    »Hallo!«
    Kamp erschrak und drehte sich um. Er sah eine Frau in seinem Alter auf sich zukommen.
    »Na, junger Mann, auch gerade gestorben?«
    »Ich… äh… ja!«
    »War wohl das erste Mal für Sie? Ihr Gesicht spricht Bände! Für mich war es schon meine dritte Zeit auf Erden. Hab die Tür mittlerweile richtig ins Herz geschlossen. Mit den Flügeln haben die sich wirklich Mühe gegeben«, plapperte die Frau drauflos.
    Kamp starrte sie mit offenem Mund an und kam sich vor wie im falschen Film. Er hätte gern etwas erwidert, sah sich dazu jedoch außerstande.
    »Hat man Ihnen denn gesagt, was Sie jetzt machen müssen? Ach, wissen Sie was, gehen Sie mir einfach nach. Es ist gar nicht so schwer.«
    Die Frau setzte ihren Weg zielstrebig fort und achtete nicht darauf, ob Kamp ihr folgen würde. Nach etwa fünfzig Metern bemerkte sie, dass er nicht an ihrer Seite war, und blieb stehen.
    »Na kommen Sie schon. Nur keine Angst!«, rief sie.
    Kamp folgte ihrer Aufforderung wie ferngesteuert und schloss zu ihr auf. So langsam fing er an zu glauben, er träumte dies alles nur und würde gleich irgendwo in seinem Büro erwachen.
    Vorsichtig beobachtete er die Frau von der Seite. Sie war völlig unbeeindruckt von dem, was gerade passierte, und schien genau zu wissen, was als Nächstes zu tun war. Er beneidete sie um diese Sicherheit.
    Je näher sie der Anmeldung kamen, desto mehr Details konnte Kamp erkennen. Vor dem Gebäude herrschte reger Betrieb. Zwischen den Säulen waren jeweils zwei große Fenster eingelassen, vor denen jeweils eine von Buchstabe zu Buchstabe unterschiedlich große Warteschlange stand. Kamp drehte sich beim Gehen um und sah, dass hinter ihnen schon wieder einige Personen eingetroffen waren und ihnen folgten.
    »Wenn man es zum ersten Mal sieht, ist es ziemlich überwältigend, nicht wahr?«
    Kamp sah die Frau an und rang sich ein stummes Lächeln ab.
    Sie tätschelte ihm dafür die Schulter. »Machen Sie sich nichts draus, da sind Sie in guter Gesellschaft.«
    Sie gelangten an einen breiten Abhang, in den mehrere Treppen eingelassen waren. Von den Enden der Treppen führten markierte, etwa zweihundert Meter lange Wege zu einem großen Platz, der das Vorfeld des Gebäudes einnahm.
    Alles schien aus Marmor und Stein zu bestehen. Wäre es nach Kamp gegangen, hätten sie auf Wolken gehen müssen, ein leicht dunstiger Untergrund, sodass man seine Füße beim Gehen nicht sehen kann. Er konnte sich auch nicht erinnern, durch eine Pforte gegangen zu sein, an der ein gewisser Petrus den Türsteher spielte. Eine große Anmeldung im Himmel hatte er in seinen Vorstellungen natürlich überhaupt nicht auf der Rechnung. Wenn aber schon Gebäude, dann hätten sie reichlich mit Gold verziert sein müssen. Er erwartete Engel, die wie Vogelschwärme durch die Gegend flogen, auf der Suche nach einer Seele, der geholfen werden konnte. Er bedauerte jetzt, sich nicht ernsthafter mit seiner Religion befasst zu haben. Das hätte sicher vieles einfacher gemacht.
    Schließlich erreichten sie den großen Platz. Die Frau blieb stehen und wandte sich Kamp zu.
    »Wenn Ihr Nachname nicht mit einem B anfängt, trennen sich unsere Wege hier.«
    Er bemerkte erst mit einiger Verzögerung, dass das als Frage gemeint war. »Äh, ja… nein. Meiner fängt mit K an.«
    »Na dann, alles Gute.«
    Sie nickte freundlich und stapfte zielstrebig in Richtung der Säule mit dem B, ohne sich noch einmal umzudrehen. Kamp blickte ihr noch eine Zeit lang nach, zuckte schließlich mit den Schultern und machte sich auf den Weg zu seiner Säule. Sie zu finden war wenigstens leicht.
    Er stellte sich an das Ende einer der beiden Warteschlangen und verrenkte den Kopf, um zu sehen, was sich ganz vorn
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