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Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)

Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)

Titel: Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)
Autoren: Christopher McDougall
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Stätten von Maui.
    »Smitty war der Erste, der mich zum Laufen gebracht hat«, sagte uns Caballo. Manchmal brachen sie mitten in der Nacht auf und liefen die über 30 Kilometer lange Strecke auf dem Kaupo Trail bis zum »Haus der Sonne« auf dem Gipfel des 3055 Meter hohen Vulkanbergs Haleakala. Dort saßen sie dann schweigend, beobachteten, wie die ersten Sonnenstrahlen auf dem Pazifi k funkelten, und liefen schließlich wieder zurück. Ihr einziger Proviant bestand aus wilden Papayas, die sie von den Bäumen holten. Nach und nach verschwand der Hinterzimmerkämpfer namens Mike Hickman. Seinen Platz nahm Micah True ein, dessen Name vom »mutigen und furchtlosen Geist« des alttestamentarischen Propheten Micha und der Treue eines alten Köters namens True Dog inspiriert war. »Ich werde True Dog nicht immer gerecht«, pflegte Caballo zu sagen. »Aber es ist immer einen Versuch wert.«
    Bei einem seiner von der Suche nach Zukunftsvisionen motivierten Läufe durch den Regenwald traf der frisch wiedergeborene Micah True eine wunderschöne junge Frau aus Seattle, die einen Urlaub auf der Insel verbrachte. Sie hätten nicht verschiedener sein können – Melinda war eine Magisterstudentin der Psychologie und die Tochter eines wohlhabenden Investmentbankers, Micah dagegen war im wörtlichen Sinn ein Höhlenmensch -, aber sie verliebten sich ineinander. Nach einem in der Wildnis verbrachten Jahr beschloss Micah, dass es an der Zeit war, in die Welt zurückzukehren.

    Rums! Der Gypsy Cowboy schlug seinen dritten Gegner nieder …
    … und den vierten …
    … und den fünften …
    Micah war so gut wie unangreifbar, Melinda wartete in seiner Ringecke, und seine Beine waren durch die Regenwaldläufe gestärkt. Er konnte tanzen und durch den Ring schlurfen, bis sich die Arme des Gegners wie Zement anfühlten. Sobald der andere die Fäuste sinken ließ, griff Micah blitzschnell an und schickte ihn auf die Bretter. »Die Liebe hat mich inspiriert, Mann«, sagte Micah. Er und Melinda ließen sich in Boulder im Bundesstaat Colorado nieder, von wo aus er auf Bergpfaden laufen und in den Arenen von Denver zu Kämpfen antreten konnte.
    »Er sah bestimmt nicht wie ein Kämpfer aus«, sagte mir später Don Tobin, der damalige Rocky-Mountain-Leichtgewichtsmeister im Kickboxen. »Er hatte richtig lange Haare und benutzte diese uralten Handschuhe, die aussahen, als hätte er sie von Rocky Graziano persönlich übernommen.« Don Tobin wurde der Freund und gelegentliche Sparringspartner des Cowboys und staunt bis zum heutigen Tag über dessen Arbeitsethos. »Er absolvierte ganz allein ein unglaubliches Trainingspensum. An seinem dreißigsten Geburtstag lief er fünfzig Kilometer. Fünfzig Kilometer!« Nur wenige amerikanische Marathonläufer kamen auf solche Zahlen.
    Als der Cowboy zwölf Siege nacheinander erkämpft hatte, war sein Ruf eindrucksvoll genug, um ihm einen Platz auf der Titelseite der Wochenzeitung Westword in Denver zu sichern. Unter der Überschrift FIST CITY erschien ein ganzseitiges Foto von Micah, der schweißbedeckt und mit nacktem Oberkörper präsentiert wurde, mit erhobenen Fäusten und wehendem Haar, und er zeigte schon damals den finsteren Blick, den ich 20 Jahre später in Creel sah, als ich ihm überraschend gegenüberstand. »Ich kämpfe gegen jeden, wenn das Geld stimmt«, wurde der Cowboy damals zitiert.
    Gegen jeden, ja? Der Artikel fiel einer ESPN-Kickbox-Promoterin in die Hände, die den Cowboy ausfindig machte und ein Angebot unterbreitete. Micah war Boxer, kein Kickboxer, und dennoch wollte ihn diese Frau bei einem landesweit übertragenen Kampf gegen Larry Shepherd, die amerikanische Nummer vier im Halbschwergewicht, in den Ring schicken. Micah gefielen die Publicity und der große Zahltag, aber er traute der Sache nicht. Noch vor ein paar Monaten war er ein obdachloser Hippie gewesen, der auf einem Berggipfel meditierte, und jetzt stellten sie ihn gegen einen Kampfsportler auf, der mit dem Kopf einen Haufen Ziegelsteine zertrümmern konnte. »Für die war das alles ein großer Scherz«, sagt Micah. »Ich war dieser langhaarige Hippie, den sie in den Ring schubsen wollten, damit alle was zu lachen hatten.«
    Das darauf folgende Geschehen fasst Caballos gesamte Lebensgeschichte zusammen: Die einfachsten Entscheidungen, die er jemals zu treffen hatte, waren diejenigen zwischen Klugheit und Stolz. Als bei der Superfight Night von ESPN der Gong ertönte, ließ der Gypsy Cowboy seine übliche schlaue Strategie
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