Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)

Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)

Titel: Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)
Autoren: Christopher McDougall
Vom Netzwerk:
Barfuß-Ted kam auf mich zu, und er sah verzweifelt aus.
    »Ein paar Jungs haben mir etwas Wasser gegeben, und das hat sich so kalt angefühlt, da dachte ich, ich könnte es zur Abkühlung verwenden«, sagte Barfuß-Ted. »Also bespritze ich mich rundum mit Wasser, verteile es überall …«
    Ich hatte Mühe, Teds Geschichte zu folgen, denn seine Stimme schwankte sehr stark wie ein schlecht eingestelltes Radio. Mir wurde klar: Ich war so stark unterzuckert, dass ich kurz vor dem Zusammenbruch stand.
    »… und dann merke ich: ›Scheiße, oh Scheiße, mir ist das Wasser ausgegangen …‹«
    Barfuß-Teds Gejammer entnahm ich, dass ich bis zum Wendepunkt vielleicht noch eineinhalb Kilometer zu laufen hatte. Ich hörte ihm ungeduldig zu und wollte unbedingt weiter zur Versorgungsstation, damit ich einen Energieriegel essen und mich kurz ausruhen konnte, bevor ich die letzten acht Kilometer anging.
    »… Also sage ich mir, ich muss jetzt pinkeln. Ich pinkle besser in eine dieser Flaschen, für den Fall, dass ich beim letzten Tropfen angekommen bin, weißt du, beim allerletzten Tropfen. Also pinkle ich in diese Flasche und es sieht orange aus. Es sieht nicht gut aus. Und es ist heiß . Ich glaube, mir haben Leute zugesehen, wie ich in meine Flasche pinkelte, und sich dabei gedacht: ›Mann, diese Gringos sind wirklich zäh.‹«
    »Moment mal«, sagte ich und begriff langsam, von was er redete. »Du trinkst doch nicht etwa Pisse?«
    »Es war der Mieseste! Der am miesesten schmeckende Urin, den ich in meinem ganzen Leben probiert habe. Man könnte dieses Zeug in Flaschen abfüllen und verkaufen, um damit Tote wiederzuerwecken. Ich weiß, dass man Urin trinken kann, aber nicht, wenn er in deinen Nieren 65 Kilometer weit durchgeschüttelt und erhitzt wurde. Ein missglücktes Experiment. Ich würde diesen Urin nicht trinken, und wenn es das letzte bisschen Flüssigkeit auf dem Planeten Erde wäre.«
    »Hier«, sagte ich und bot ihm meinen letzten Schluck Wasser an. Ich verstand nicht, warum er nicht einfach zur Versorgungsstation zurückgelaufen war, wenn er solche Probleme hatte, aber ich war zu erschöpft, um weitere Fragen zu stellen. Barfuß-Ted schüttete die Pisse weg, füllte seine Flasche auf und trottete davon. Trotz aller Marotten gab es keinen Zweifel an seinem Einfallsreichtum und seiner Entschlossenheit. Mit seinen Zehenschuhen war er jetzt keine acht Kilometer mehr vom Ziel eines 80-Kilometer-Laufs entfernt, und er war sogar bereit gewesen, seine eigenen Körperausscheidungen zu trinken, um dorthin zu gelangen.
    Erst bei meiner Ankunft am Wendepunkt Guadalupe drang in mein benebeltes Hirn die Erkenntnis vor, warum Ted kein Wasser mehr gehabt hatte: Es gab keines mehr. Und der Ort war menschenleer. Alle Dorfbewohner waren nach Urique marschiert, um das Fest nach dem Rennen mitzuerleben. Der kleine Laden war geschlossen, und es war niemand mehr da, der einem Läufer noch die Brunnen oder Wasserstellen zeigen konnte. Ich ließ mich auf einem Felsen nieder. Mir war schwindlig, und mein Mund war viel zu trocken, um jetzt etwas essen zu können. Selbst wenn ich es schaffte, ein paar Bissen hinunterzuwürgen, war ich viel zu dehydriert, um noch eine Stunde bis zum Ziel laufen zu können. Man kam von hier nur zu Fuß nach Urique zurück, aber in diesem Zustand war ich selbst zum Gehen zu schwach.
    »So viel zum Thema Mitgefühl«, murmelte ich vor mich hin. »Ich gebe etwas her, und was kriege ich dafür? Beschissen wird man.«
    Niedergeschlagen saß ich da, aber mein heftiges Schnaufen nach dem harten Anstieg beruhigte sich soweit, dass ich jetzt noch ein anderes Geräusch wahrnahm – ein merkwürdiges, trällerndes Pfeifen, das näherzukommen schien. Ich erhob mich mühsam, um nachzuschauen, und siehe da: Der alte Bob Francis kam diesen abgelegenen Berg herauf.
    »Hey, Amigo«, rief Bob, fischte zwei Büchsen mit Mangosaft aus seiner Schultertasche und schwang sie über dem Kopf. »Ich dachte mir, du könntest was zu trinken gebrauchen.«
    Ich war verblüfft. Der alte Bob war bei 35 Grad Hitze in schwierigem Gelände acht Kilometer marschiert, um mir Saft zu bringen? Aber dann erinnerte ich mich: Vor ein paar Tagen hatte Bob das Messer bewundert, das ich Barfuß-Ted geliehen hatte, damit der seine Sandalen zuschneiden konnte. Es war ein Erinnerungsstück an Expeditionen in Afrika, aber Bob hatte sich so freundlich um uns alle gekümmert, dass ich es ihm einfach schenken musste. Vielleicht war Bobs wundersame
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher