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Bordsteinkönig: Meine wilde Jugend auf St. Pauli (German Edition)

Bordsteinkönig: Meine wilde Jugend auf St. Pauli (German Edition)

Titel: Bordsteinkönig: Meine wilde Jugend auf St. Pauli (German Edition)
Autoren: Ulf Meyer zu Kueingdorf , Michel Ruge
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an.
    »Pass auf, Tom. Lass uns mal ein Bierchen trinken. Dabei können wir alles bereden.«
    Ich glaubte nicht, was ich da hörte. Wir waren auf alles gefasst gewesen, aber nicht auf einen Schnack mit Bierchen. Der Schläger erklärte uns, er würde die Sache im Laufe der kommenden Woche für uns regeln. Auch um das Geld sollten wir uns keine Sorgen machen, das sei schon fast vergessen.
    Nichts passierte. Der Schläger meldete sich nicht mehr. Also rief Tom selbst bei dem Kunden an. Der erklärte, die Jungs, die er angeheuert hatte, um uns Druck zu machen, seien eingeknickt. Er wolle sein Geld zurück und eine Entschuldigung. Damit sei die Sache erledigt. Der Superschläger hatte also nichts geregelt. So war es auf dem Kiez. Niemandem konnte man vertrauen. Tom war sauer. Am Wochenende ging er ins »Voilà«, wo er den Schläger vermutete. Mit Hilfe einiger Freunde verpassten sie Mister Gnadenlos eine ordentliche Abreibung.

    In den nächsten Tagen schlief ich in Wladimirs Kommune. Mein Zuhause war mir immer noch zu unsicher. Um weiteren Ärger zu vermeiden, beschloss ich, dem Kunden meine vierhundert Mark zurückzugeben. Einer der Champs bot mir zwar an, die ganze Angelegenheit für mich zu regeln. Aber ich lehnte ab. Ich wollte niemanden mehr vorschicken. Ich wollte das selbst regeln. Wie ein Mann. So hatte ich es gelernt. Mit dem Geschäftsmann verabredete ich mich in einem Hotel auf der Reeperbahn. Das erschien mir sicherer als meine Wohnung, wie er anfänglich vorgeschlagen hatte. Er kam, und ich schämte mich ein wenig für den ganzen Ärger.
    Dann sagte er: »Ich kenne dich. Du bist doch der Enkel von Oma Lilo, nicht wahr?«
    Überrascht schaute ich ihn an. »Ja. Der bin ich. Woher wissen Sie das?«
    »Ich wusste von Anfang an Bescheid. Man hat seine Kanäle. Ich wollte dir auch nichts tun. Ich wollte dir nur mal die Ohren langziehen und mit dir reden.«
    Ich erzählte ihm, dass ich von dem Raub nichts gewusst hatte. Der Typ war wirklich nett. Wir unterhielten uns. Ich erzählte ihm die Geschichte von meiner Geldnot, von der geplanten Reise nach Jugoslawien, von der Lady. Er lachte und hielt sich den Bauch.
    »Sehr gut, Michel. Ich verstehe. Aber lass dir eines gesagt sein. Mit solchen Kackbratzen darfst du dich nicht einlassen. Die haben keinen Stil. Das sind Asoziale. Hast du gehört?« Ich nickte. Dann gab er mir die Hand. »Und grüß mir deine Oma. Eine tolle alte Dame.« Endlich konnte ich nach Hause.

28 Wahnsinnigster Wahnsinn!
    I ch schlief drei Tage und drei Nächte. Dennoch blieb ich müde. Die Ereignisse der letzten Wochen und Monate hatten mich ausgelaugt, mich an den Rand des Wahnsinns getrieben. Wenn ich so weitermachen würde, das spürte ich, dann würde ich meinen Achtzehnten nicht erleben. Was war das für ein Leben? War das überhaupt ein Leben? Ich dachte an Claudia, sah den ausgemergelten Ümet vor mir.
    Das Telefon klingelte. Ich hob ab. Am anderen Ende hörte ich Fritz’ Stimme.
    »Lass mal heud Abend los, Aller! Wir haben uns lange nicht gesehen.«
    Mir war überhaupt nicht danach, mit Fritz rumzuziehen. Ich wollte alleine sein.
    »Ich hab kein Bock.«
    »Was los, Aller?«
    »Nichts«, erwiderte ich. »Ach, bin heute in der Melancholischen.«
    »Denkst du schon wieder an Claudia?«
    Ich grummelte. Fritz war ein Meister, wenn es darum ging, zu trösten. »Aller, sei froh, dass du die los bist, die sah doch sowieso scheiße aus.«
    Das war vielleicht nicht das, was man erwartete, wenn man getröstet werden wollte. Aber es funktionierte. Ich lachte. Wir lachten beide ausgelassen, wie die zwei Jungs, die wir vor ein paar Jahren gewesen waren. Erleichterung machte sich in mir breit. Es ging mir schon wieder ein bisschen besser.
    »Alles klar, Fritz. Lass uns treffen.« Doch kaum hatte ich aufgelegt, befiel mich wieder ein schlechtes Gefühl.
    Wir trafen uns in einer Kneipe. Fritz war schon im Vollsuff angekommen. Breitbeinig, aufgedreht, voll auf Adrenalin, stand er neben mir. Mir fehlte jegliche Leichtigkeit. Das Feiern mit ihm hatte schon lange nichts mehr mit Lachen und Tanzen zu tun. Für Fritz bedeutete feiern: sich spüren, etwas erleben, Grenzen überschreiten, in die Vollen gehen, jemanden weghauen. Das war es, was wir beide von Anfang an gewollt hatten. Aber nun waren wir ein paar Jährchen älter, und die unschuldigen Träume waren an der harten Realität zerbrochen. Fritz war mittlerweile fast jeden Tag breit. Er hatte sich eine Welt erschaffen, die von Angst und Feinden regiert
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