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Bordsteinkönig: Meine wilde Jugend auf St. Pauli (German Edition)

Bordsteinkönig: Meine wilde Jugend auf St. Pauli (German Edition)

Titel: Bordsteinkönig: Meine wilde Jugend auf St. Pauli (German Edition)
Autoren: Ulf Meyer zu Kueingdorf , Michel Ruge
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Schön, dich zu sehen.«
    Wo waren seine Muskeln? Er war geradezu dürr, sein Haar lang und strähnig. Er hatte dunkle Augenringe und sah aus, als sei er auf Heroin, kaputt, ausgelaugt.
    »Ümet! Das ist ja … Wie geht es dir?« Ich war geschockt von seinem Aussehen, aber vor allem freute ich mich, ihn zu sehen.
    »War ’ne Zeitlang weg, Michel.« Mit trüben Augen sah er mich an. »Bleib bloß sauber, Michel. Hast du gehört?« Dann drehte er sich um und verschwand in der Menge. Ich versuchte nicht, ihn aufzuhalten. So wie ich Claudia nicht versucht hatte aufzuhalten. Ich sah ihm nach. Was war nur aus dem alten Ümet geworden? Dem Ümet, der mich zu den Breakers gebracht hatte? Was war aus dem charismatischen, vor Kraft strotzenden, klugen Ümet geworden? Auch ihn hatten die Drogen vernichtet.
    Wieder hatte mich die Melancholie fest im Griff. Mit ihr zog ich durch die Tage, durch die Nächte. Die nächsten fünf Tage schlief ich immer wieder in offenen Autos. Wladimir hatte ich noch immer nicht erreicht. Ich brauchte etwas, das mir Halt gab, das mich aufrichtete, also ging ich nach langer Zeit endlich wieder einmal zum Training. Ich trainierte wie wild. Meine Form hätte schlechter sein können. Immer wieder dachte ich an Ümet und an meinen nächtlichen Besuch, der mir keine Ruhe ließ. Meine Nachdenklichkeit blieb auch Ali nicht verborgen. »Michel! Lass uns nach dem Training was bei Lambro essen.« Also gingen wir ins »Lambros«, ein Imbiss in Ottensen. Anschließend zogen wir weiter in die »Sheila-Bar«. Für ein paar Stunden konnte ich mich aus dem Griff der Melancholie befreien. Als es langsam hell wurde, lief ich zu Wladimirs WG in der Hoffnung, ihn endlich zu erwischen, bevor er zur Schule ging. Die Tür öffnete sich, ein verschlafener Wladimir stand vor mir.
    »Nee«, sagte er. »Die haben sich zwar gestritten. Aber die wissen nix.«
    Noch aus der WG rief ich Volker an. Sie waren immer wieder nachts an meiner Tür gewesen. Die Geister jagten mich.

    Am nächsten Tag ging ich zu Fritz. Seine Mutter kam mir schon im Treppenhaus entgegen, um mir klarzumachen, dass ich nicht erwünscht sei und ihren Sohn endlich in Ruhe lassen solle. Sie schien es noch immer nicht verstanden zu haben: Fritz war der Durchgeknallte von uns. Dann kam Fritz selbst aus der Wohnung und sagte: »Michel ist mein Freund.« Seine Mutter gab nach. Sie musste einsehen, dass sie ihrem Sohn mit siebzehn nicht mehr vorschreiben konnte, mit wem er sich abgab. Fritz holte sich eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank. Inzwischen trank er schon morgens, um den Kater vom Vorabend zu vertreiben.
    »Michel, Aller! Tom hat übrigens angerufen. Du sollst dich bei ihm melden. Er hat aber nicht gesagt, um was es geht.«
    Wir machten uns auf zu Tom.
    »Pass auf, Michel!« sagte Tom. »Der Typ letztens, der Geschäftsmann. Der will sein Geld zurück. Der hat gemerkt, dass wir ihn abgezogen haben. So ist es.«
    »Aber ich dachte, wir sollten ihn beschützen?!«, entgegnete ich.
    »Ja, das dachte ich auch.« Tom wurde ungeduldig. Verdammt, das war es also, was ich mir hatte zuschulden kommen lassen: Ohne es zu wissen, hatte ich einen Typen mit abgezockt.
    »Fritz, los, komm. Lass uns gehen. Hier haben wir nichts mehr verloren.«
    »Hey, Michel«, rief mir Tom hinterher. »Was ist mit der Kohle?«
    »Später«, grummelte ich.
    Am Abend trafen wir uns mit Andy, der mittlerweile ein kleines Nuttenimperium aufgebaut hatte. Andy kannte die Typen, die im Auftrag des Geschäftsmannes das Geld einforderten. Ich war bereit, meine vierhundert Mark zurückzugeben.
    »Reicht das?«, fragte ich Andy.
    »Keine Ahnung. Mal sehen, Michel! Aber ich kenn einen, der weiterhelfen kann.«
    Andy telefonierte kurz mit ein paar Typen, dann sagte er, dass wir in einer halben Stunden im »Empire« erwartet würden. Ich war fertig, müde, erschöpft, ausgelaugt. Aber ich musste weiter, weiter, immer weiter. Wir holten Tom ab und fuhren alle zusammen ins »Empire«. Tom marschierte voran, schnurstracks steuerte er einen Typen an. Ich erkannte ihn sofort. Der Stiernacken war ein bekannter Schläger. Die meisten konnten erst Wochen nach einer Begegnung mit ihm darüber reden. Wenn er zuschlug, dann klatschte es einmal im Gesicht, einmal auf dem Asphalt.
    »Du suchst mich? Hier bin ich!« Tom baute sich vor dem Tisch auf, an dem der Typ saß. Angst hatte er offensichtlich nicht. Ich stellte mich neben ihn und versuchte ebenfalls eine gute Figur zu machen. Der Typ starrte uns
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