Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bookman - Das ewige Empire 1

Bookman - Das ewige Empire 1

Titel: Bookman - Das ewige Empire 1
Autoren: Lavie Tidhar
Vom Netzwerk:
niedergelassen, in Tweedsakkos, damit die
Tätowierungen nicht auffielen, die rasierten Köpfe unter Mützen verborgen, die
tief in die Stirn gezogen waren. Und drüben am Fenster erkannte Orphan ein
Gesicht wieder, das er bisher erst zweimal gesehen hatte, dessen vorspringende
Nase aber ebenso unverkennbar war wie die wachen Augen. Der Mann rauchte still
vor sich hin lächelnd eine Meerschaumpfeife.
    Und neben ihm saß ein fetter Mann, der anscheinend so mit seinem
Essen beschäftigt war, dass er für nichts anderes Augen hatte, und den Orphan
ebenfalls wiedererkannte. Jetzt sah er, wie sehr sich die beiden ähnelten.
    Hier fand ein Kriegsrat statt.
    Hier würde nach dem Essen über das Schicksal der Stadt entschieden
werden, bei Portwein und Zigarren. Fingen so Revolutionen an? Oder endeten sie
so?
    Das geht mich nichts an, dachte er erleichtert. Die Stadt brauchte
ihn nicht. Aber Lucy brauchte ihn. Und auch sein Doppelgänger. Die konnte er
nicht im Stich lassen. Er würde den Bookman finden und sich mit ihm
auseinandersetzen.
    Orphan blickte den Türken an.
    Â»Ich werde gehen«, sagte er.

35
Hinab ins Kaninchenloch
    Die meisten Universitäten waren in keiner
Weise bestrebt,
diese Verbesserungen zu übernehmen, und etliche dieser gelehrten
Gemeinschaften haben es vorgezogen, zum Hort widerlegter Denksysteme
    und überholter Vorurteile zu werden, nachdem
man sich allenthalben
ebendieser Systeme und Vorurteile entledigt hatte.
    Adam Smith, Untersuchung über die Natur
und
die Ursachen des Wohlstands der Völker
    In der Ferne tauchten Lichter auf und ließen die Silhouette
einer Stadt entstehen, die sich wie ein Märchenschloss vom Himmel abhob.
Oxford! Orphan fühlte sich benommen, und die Fragmente nur halb erinnerter
Träume schwirrten ihm im Kopf herum. Trollope hatte einmal geschrieben: » Oxford ist der gefährlichste Ort, an den man einen jungen Mann
schicken kann. « Vielleicht war Trollope ja nicht viel unterwegs.
    Mit einem Seufzer lehnte sich Orphan zurück und rieb sich die Augen,
die aus irgendeinem Grund feucht waren. Wahrscheinlich war Regen durchs Fenster
hereingekommen. Er hatte geschlafen – wovon hatte er geträumt? Von Schiffen und
Gewehrschützen und einer Frau, die in den Tod stürzte … Er griff in seine
Tasche, wo er immer noch Marys Buch aufbewahrte. Er nahm es heraus und
betrachtete es. Das ist nicht ihr Buch, sondern das des Bookman, dachte er. Ein
weiteres seiner Werkzeuge, ein weiteres Detail seiner Pläne, das seine Mutter
veranlasst hatte, ihr Zuhause zu verlassen – nur um dann in einer fremden Stadt
zu sterben, von einem weiteren Werkzeug umgebracht zu werden.
    Er öffnete das Fenster. Der Wind pfiff herein und trieb ihm den
Regen ins Gesicht. Der Zug passierte eine lange Reihe von Hecken.
    Er schleuderte das Buch aus dem Fenster. Es öffnete sich, die Seiten
raschelten im Luftzug, bis der Wind es schließlich davontrug.
    Nachdem er das Fenster wieder geschlossen hatte, setzte er sich.
Seine Augen waren immer noch nass, doch er machte keinen Versuch, die
Feuchtigkeit wegzublinzeln. Immer mehr verschwamm ihm alles vor Augen, und er
wünschte, die Außenwelt würde hinter undurchdringlichem Nebel verschwinden,
damit er endlich Ruhe vor alledem hätte.
    Â»Nächste Station Oxford«, verkündete eine dröhnende Stimme aus dem
Lautsprecher und riss Orphan ins Hier und Jetzt zurück.
    Er blickte aus dem Fenster. Der Zug verlangsamte seine Fahrt, die
Lichter draußen wurden heller und zahlreicher.
    Oxford. Hier endet es also, dachte er.
    Als der Zug anhielt, war er bereits aufgestanden. Er eilte zur Tür
und stieg aus.
    Vor sich entdeckte er eine Gruppe von vier schwarz gekleideten
Männern. Sie trugen breitkrempige Hüte, die ihre Gesichter verschatteten, und
standen um einen sargförmigen Gegenstand herum.
    Orphan blieb ein Stück zurück, um sie zu beobachten. Sie schienen
sich zu beraten. Was sie sagten, konnte er jedoch nicht hören, falls sie sich
überhaupt sprachlich miteinander verständigten. Kurz darauf hoben sie den Sarg
an und gingen damit wie Leichenträger den Bahnsteig in Richtung Ausgang
entlang.
    Orphan folgte ihnen.
    Einige von seinen dichtenden Zeitgenossen sprachen gern von
Oxfords »träumenden Türmen«. Orphan hingegen hasste diese Stadt. Die hohen
dunklen Gebäude schienen nur dafür geschaffen, alles Licht und alle Wärme
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher