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Bookman - Das ewige Empire 1

Bookman - Das ewige Empire 1

Titel: Bookman - Das ewige Empire 1
Autoren: Lavie Tidhar
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lächelte. Er
fühlte sich wieder ganz. Komplett.
    Die Zweige wippten wie Fühler auf und ab und schienen ihn zu
begrüßen. Spontan winkte Orphan zurück. Lucy lachte.
    Orphan sah sie an. Sie war wunderschön, genau so, wie er sie in
Erinnerung hatte. Er zog sie an sich. Ja, sie war echt!
    Â»Lass uns gehen«, sagte Lucy. Sie blickte ihm in die Augen und
strich ihm mit der Hand übers Gesicht. Auch sie musste sich, wie er begriff,
vergewissern, dass er echt war.
    Â»Ich glaube, es möchte seine Ruhe haben.«
    Er dachte an seinen Doppelgänger. Ein weiteres Werkzeug, so wie
Orphan eines gewesen war. Und trotzdem … hatte er sich für sie beide geopfert.
Damit wenigstens einer von ihnen durchkam. Und wieder mit Lucy zusammen sein
konnte. Orphan fragte sich, ob er wohl ebenso gehandelt hätte.
    Er nahm Lucy bei der Hand und ging mit ihr davon. Die Blätter
schickten ihnen ihre leise Melodie hinterher, in einem komplexen Rhythmus, den
man fast zu verstehen meinte.
    Zwei Tage später gelangten sie, beide völlig verdreckt, in
einer Nebenstraße wieder ans Tageslicht. Orphan war am Verhungern.
    Lucy indes hatte die Seiten von Büchern gegessen.
    Â»Ich bin mit den Walen geschwommen, weißt du«, hatte sie ihm mit
versonnenem Ausdruck in den Augen erzählt. »Erst in der Themse, später dann im
offenen Meer.«
    Â»Ich dachte, du seist tot«, hatte Orphan erwidert.
    Lucy schüttelte den Kopf. »Eine Zeit lang war ich das auch. Aber er
hat mir einen neuen Körper gegeben.«
    Orphan brauchte eine Weile, um sich an die Vorstellung zu gewöhnen.
Sie war kein Automat – sie war immer noch Lucy. Nur in einem anderen Körper,
der nicht aus Fleisch bestand, sondern von den Maschinen des Bookman
konstruiert worden war. Zunächst beunruhigte ihn das Ganze – besonders als sie
anfing, Papier zu essen –, doch dann fand er sich schnell damit ab und war fast
ein bisschen neidisch auf sie. Vor allem aber war er glücklich, wieder mit ihr
zusammen zu sein. Wir sind alle Maschinen, dachte er, genau wie La Mettrie es
vor langer Zeit in Der Mensch – eine Maschine gesagt
hat. Er, Orphan, war eine Maschine aus Fleisch und Blut, während Lucy jetzt aus
etwas anderem bestand, das möglicherweise noch komplexer war … aber trotzdem
waren sie einander gleich, und …
    â€¦ und sie liebten sich.
    Manchmal reichte das.
    Das Erste, was Orphan machte, als sie wieder ans Tageslicht kamen,
war, nach etwas Essbarem Ausschau zu halten. Da die High Street ganz in der
Nähe lag, saßen sie bald gemütlich an einem Tisch eines Kaffeehauses und
hielten Händchen. Orphan bestellte sich das größte Frühstück, das auf der
Speisekarte stand.
    Im Kaffeehaus wimmelte es von Studenten, Handelsreisenden und
Professoren. Alle Gespräche drehten sich um die Hauptstadt. Lucy besorgte eine
Zeitung, breitete sie auf dem Tisch aus und machte sich gemeinsam mit Orphan an
die Lektüre.
    SENSATIONELLE
ENTWICKLUNG!
    Hauptstadt. Von unserem
Sonderkorrespondenten
    Gestern Abend konnte die Gefahr eines Blutbades von der
Hauptstadt abgewendet werden. Nach Krisengesprächen zwischen der Regierung, dem
persönlichen Beauftragten der Königin, Sir Henry Flashman, VC , Anführern der Rebellen und Repräsentanten aus Wirtschaft
und Industrie sowie der Babbage Group gelangte man zu einer Einigung.
    Ihre Majestät hat sich bereit erklärt, auf einen Großteil ihrer
bisherigen Macht zu verzichten. Obwohl sie de jure Herrscherin des Empire
bleiben wird, wird der größte Teil ihrer Befugnisse an ein neu zu bildendes
Parlament übergehen, das sich aus Vertretern der Menschen, der Echsen und der
Automaten zusammensetzen soll. Die Parlamentswahl soll schon in den nächsten
Monaten stattfinden. Zur allgemeinen Überraschung hat Lord Byron angekündigt,
dass er sich als Gegenkandidat von James Moriarty um das Amt des
Premierministers bewerben werde. Eine Gruppe von Abgeordneten hat eine
Untersuchung eingeleitet, die der Klärung der Behauptung dienen soll, auf
Calibans Insel würden Menschen gefangen gehalten. Nächste Woche bricht ein
Untersuchungsausschuss unter Leitung von Lord Livingstone zu dieser Insel auf.
    Als sie mit dem Essen fertig waren, saßen Orphan und Lucy noch
lange Zeit am Fenster des Kaffeehauses, hielten sich bei den Händen und
beobachteten die Passanten. Orphan fühlte sich rundum
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