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Bonjour Tristesse

Bonjour Tristesse

Titel: Bonjour Tristesse
Autoren: Françoise Sagan
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davon überzeugt hatte, daß
sie für unsere Liebe notwendig war. Man mußte verschwiegen sein in diesem Spiel
und doppelzüngig, aber es kostete so wenig Anstrengung, so wenig wirkliche
Lügen! (Und nur meine Handlungen, wie ich schon gesagt habe, zwangen mich dazu,
mich selber zu verurteilen.)
    Ich gehe schnell über diese Periode
hinweg, denn wenn ich zuviel in meinem Gedächtnis forsche, fürchte ich, auf
Erinnerungen zu stoßen, die mich erdrücken. Schon jetzt genügt es, daß ich an
Annes glückliches Lachen denke, daß ich daran denke, wie nett sie zu mir war,
und es gibt mir einen Schlag, einen unangenehmen Tiefschlag, der mir wehtut und
mir den Atem nimmt. Ich spüre, daß ich so nahe an dem bin, was man ein
schlechtes Gewissen nennt, daß ich zu Gebärden Zuflucht nehmen muß: Ich zünde
eine Zigarette an, ich lege eine Grammophonplatte auf oder telephoniere mit
einem Freund. Nach und nach denke ich wieder an andere Dinge. Aber es ärgert
mich, daß ich bei meinem schlechten Gedächtnis und meiner Oberflächlichkeit
Hilfe suchen muß. Ich erkenne sie nur ungern an, auch dann, wenn sie mir
willkommen sind.

ZEHNTES KAPITEL
     
    E s ist seltsam, wie es dem Schicksal gefällt,
sich unwürdige und mittelmäßige Masken auszusuchen, um uns darin
gegenüberzutreten. In jenem Sommer hatte es sich Elsa als Maske gewählt. Eine
sehr schöne Maske, wenn man will, eine anziehende Maske. Sie hatte auch ein
ganz besonderes Lachen, ein sehr volles, ansteckendes Lachen, wie es nur
Menschen haben, die ein bißchen dumm sind.
    Dieses Lachen — ich bemerkte sehr bald,
welche Wirkung es auf meinen Vater hatte, und veranlaßte Elsa, es soviel wie
möglich zu gebrauchen, wenn wir sie mit Cyril »überraschten«. Ich sagte zu ihr:
»Wenn Sie meinen Vater und mich kommen hören, sagen Sie nichts, aber lachen
Sie.« Und wenn wir dann dieses überglückliche Lachen hörten, sah ich
Leidenschaft in den Augen meines Vaters aufflackern. Ich wurde dieser Rolle
eines Regisseurs nicht müde. Ich versäumte nie meinen Einsatz; denn wenn wir
Cyril und Elsa zusammen sahen, wie sie offen ihre scheinbaren, aber so
vollkommen wahrscheinlichen Beziehungen zur Schau trugen, erblaßte ich genau
wie mein Vater. Das Blut wich aus meinem Gesicht wie aus dem seinen und wurde
aufgesaugt von dem Verlangen zu besitzen, das quälender ist als Schmerz. Cyril,
Cyril über Elsa geneigt... Dieses Bild zerriß mir das Herz, und ich hatte es
mit ihnen besprochen, ohne seine Macht zu begreifen. Worte sind einfach und
geschmeidig; aber wenn ich Cyrils Profil sah und seinen weichen, braunen
Nacken, der sich über Elsas zärtlich bereites Gesicht neigte, hätte ich alles,
alles dafür gegeben, um es ungeschehen zu machen. Ich vergaß, daß ich selber es
ja so gewollt hatte.
    Abgesehen von diesen Zwischenfällen war
unser tägliches Leben erfüllt von Annes Vertrauen, von ihrer Sanftheit und — es
fällt mir schwer, dieses Wort zu gebrauchen — von ihrem Glück. Näher dem
wirklichen Glück, als ich sie je gesehen hate, war sie uns ausgeliefert, uns,
den Egoisten, und unsere heftigen Begierden und meine niedrigen kleinen Manöver
waren ihr sehr fremd und sehr fern. Ich hatte sehr wohl damit gerechnet, daß
sie zu stolz und zu gleichgültig wäre, um meinen Vater mit Hilfe irgendeiner
Taktik noch enger an sich zu fesseln; ja, sie verzichtete sogar auf jede
Koketterie außer der, schön, intelligent und zärtlich zu sein. Allmählich
begann sie mir leid zu tun. Mitleid ist ein sehr angenehmes Gefühl und
mitreißend wie Militärmusik. Man wird es mir nicht vorwerfen.
    Eines schönen Morgens brachte mir das
Stubenmädchen sehr aufgeregt ein paar Zeilen von Elsa, mit folgendem Inhalt:
»Alles ist in Ordnung, kommen Sie!« Sie gaben mir das Gefühl einer nahenden
Katastrophe. Ich hasse Entscheidungen. Dann traf ich Elsa am Strand mit einem
triumphierenden Gesicht.
    »Vor einer Stunde habe ich endlich
Ihren Vater getroffen!«
    »Was hat er gesagt?«
    »Er hat gesagt, daß er das, was
geschehen ist, unendlich bedauert; daß er sich wie ein Flegel benommen hat. Es
ist ja wirklich wahr... nicht?«
    Ich glaubte ihr zustimmen zu müssen.
    »Dann hat er mir Komplimente gemacht,
wie nur er sie machen kann... Wissen Sie, in einem etwas gleichgültigen Ton und
mit leiser Stimme, als ob er darunter litte, sie zu machen... Dieser Ton...«
    Ich riß sie aus den Wonnen ihrer
idyllischen Erinnerungen.
    »Und was wollte er damit erreichen?«
    »Nun... gar nichts! ...Das heißt
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