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Bone 01 - Die Kuppel

Titel: Bone 01 - Die Kuppel
Autoren: Peadar O'Guilín
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hatte.
    Er nickte, um sie zu beruhigen. Ohne Wandbrecher war er nichts. Wer sonst konnte ihn mit seiner langsamen Zunge ernst nehmen? Nein, er würde nach der Hochzeit zu seinem Bruder gehen und ihm sagen, dass er nicht wütend war, auch wenn es immer noch in ihm brannte. Also gab er sich Mühe, sich während der restlichen Feier am Lachen und Tanzen zu beteiligen und zu den Liedern zu klatschen, die er nicht mitsingen konnte.
    Am Ende der Nacht holte Mutter Wandbrechers Kerbholz und überreichte es Moosherz, die von nun an seine Tage zählen würde. Dann nahm Wandbrecher die freie Hand seiner Braut und führte sie zum Bett im Hochzeitsturm. Stolperzunge bemühte sich, in den Jubel der anderen einzustimmen, und zwang sich zu einem Lächeln, als die Männer ihm auf den Rücken schlugen und sagten: »Du bist als Nächster dran, Junge!«
    Mutter verstand ihn. Als die Feier vorbei war, brachte sie ihn nach Hause und zu Bett, als wäre er noch ein Baby.

    Stolperzunge schirmte die Augen ab und blickte zum Horizont. Jenseits der Menschenstraßen war nur wenig zu sehen, während immer noch der Morgennebel von den Bäumen im Niemandsland aufstieg. Dann erregte das Große Dach seine Aufmerksamkeit, als dort acht Sphären vorbeischwebten, fast wie eine Jägergruppe. Er hörte Rufe von anderen, die es ebenfalls beobachteten. Die Älteren konnten sich aus ihrer Jugendzeit nicht an solche Vorkommnisse erinnern, und auch keine Legende des Stammes berichtete davon. Normalerweise hingen die Sphären nur am Himmel oder trieben langsam dahin. Dass sie sich nun schneller bewegten, weckte Furcht in den Herzen der Menschen. Es war wie ein Vorzeichen für großes Unglück.
    Am Boden ging das Leben fast genauso wie immer weiter. Bestien unterschiedlicher Arten, die Waffenstillstand mit den Menschen hielten, wanderten über die Straßen. Manchmal jagten sie sich gegenseitig oder handelten mit Fleisch und Waffen. Wandbrecher sagte, dass diese Wesen überwacht werden sollten, auch jene, die sich freundlich verhielten.
    »S-s-so viele Arten«, hatte Stolperzunge gesagt, als sie das erste Mal darüber gesprochen hatten. Damals war er kaum alt genug gewesen, um einen Namen zu haben.
    »Ja, kleiner Bruder, und ich verstehe, dass es verwirrend ist. Aber man kann nie genug über sie wissen. Das hätte dir auch Vater gesagt. Ihre Gerüche, ihre Stärken, ihre Gewohnheiten, ob Freund oder Feind. Beobachte sie genau, lerne, und am Ende werden sie alle deinen Speer schmecken.«
    Nun beobachtete Stolperzunge einen Schwarm Krallenleute, die auf zahlreichen dünnen Beinen die Straße entlanghuschten, während ein vielfarbiger Flieger sie gierig von einem Turm aus im Auge behielt und auf den Lappen seiner eigenen trockenen Haut herumkaute.
    Menschenkinder spielten Verfolgungsjagden im hellen Licht des Mittags. Ihre Mütter schauten zu, manche besorgt, manche lächelnd, während andere jedes Kind ausschimpften, das vermeintlich freundlichen Bestien zu nahe kam. Frauen waren nur mit Messern bewaffnet, aber ihre heulenden Alarmrufe reichten von Straße zu Straße über die flachen Dächer der Gebäude, worauf Jäger aus allen Richtungen herbeieilen würden.
    Stolperzunge entspannte sich auf dem Dach seines Hauses, während Mutter mit einem alten Schulterblatt Moos von der Brüstung schabte. Kratz, kratz, kratz. »Es wächst so schnell«, murmelte sie. Kratz, kratz. Und niemand mochte den Geruch, wenn zuvor nicht der Saft herausgeklopft worden war. »Wie lästig.« Unvermittelt hielt sie inne, als sie sah, wie Onkel Zartnase unten vorbeihumpelte.
    »Ich habe g-gehört, er hat seit f-fünfzig T-tagen nicht mehr gejagt«, sagte Stolperzunge.
    »Richtig«, sagte Mutter, und ihr Gesicht zeigte die Mischung aus Zuneigung und Traurigkeit, die sie fast ausschließlich ihrem jüngeren Sohn vorbehielt. »Er zog mit einer großen Gruppe los, doch sein Speer blieb trocken. Für ihn wird es nicht mehr lange dauern.«
    Als Zartnases einzige noch lebende weibliche Verwandte und Hüterin seines Kerbholzes wusste nur Mutter, wie alt er genau war. Sie legte eine Hand auf Stolperzunges Hüfte. »Wenn die Zeit gekommen ist, möchte ich, dass du mit ihm gehst. Für die Familie. Wirst du es tun?«
    »W-was ist mit W-wandbrecher?«
    »Wandbrecher wird nicht gehen.«
    »A-aber …«
    »Still!«, sagte sie.
    Stolperzunge hatte seinen Bruder seit einigen Tagen nicht mehr gesehen. Wie angekündigt war Wandbrecher die ganze Zeit mit seiner neuen Braut zusammen gewesen. Stolperzunge
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