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Bollinger und die Barbaren

Titel: Bollinger und die Barbaren
Autoren: Wolfgang Brenner
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nachts der tote Juwelier erscheint,
     dass ich in Schauren immer schlechter zurechtkomme. Dass mein Privatleben mir Probleme bereitet. Nun denkt er darüber nach.
     Er sagt, es dauere ein paar Tage, dann werde er von sich hören lassen.
    Dr. Backes ist der einzige Mensch, zu dem ich rückhaltlos offen sein kann. Nicht einmal zu Lotte, die ich ja liebe, bin ich
     so offen. Gerade weil ich Lotte liebe. Ich muss sie schützen. Ich muss sie vor mir und meiner Vergangenheit schützen.
    Dr. Backes weiß alles über mich und meine Vergangenheit. Wir haben nächtelang darüber gesprochen – vor allem nachdem ich in
     Saarbrücken in Ausübung meines Dienstes den Juwelier erschossen habe, weil ich glaubte, einen Autoknacker vor mir zu haben,
     der bewaffnet war und Widerstand gegen die Staatsgewalt leisten wollte. Aber es war nur ein Juwelier, der bewaffnet war, weil
     in Saarbrücken alle Juweliere bewaffnet sind, um ihren Besitz gegen Räuber schützen zu können. Und der Wagen, den er aufbrach,
     war sein eigener. Er hatte bloß den Schlüssel abgebrochen, aber das wusste ich nicht. Ebenso wie der Juwelier nicht wusste,
     dass ich ein junger und ehrgeiziger Polizist in Zivil war, |18| der sich in der dritten oder vierten Nacht auf der Jagd nach einer gefährlichen Autoknackerbande befand. Das war unser Verhängnis.
     Der Juwelier verlor sein Leben und ich meine Reputation als tadelloser Polizeibeamter. Um ein Haar hätten sie mich in den
     vorzeitigen Ruhestand versetzt. Oder sogar in die Klapsmühle gesteckt – aber zum Glück hielt Dr. Backes zu mir.
    Dr. Backes erst brachte mir bei, wie alles läuft. Man muss das Leben eins zu eins nehmen, lehrte er mich. Es gibt keine Symbole
     im Leben und folglich auch keine Symbolhandlungen. Es gibt nur dich und mich – und das, was wir miteinander tun. Man muss
     alles voneinander wissen. Wenn ich mehr von dem Saarbrücker Juwelier gewusst hätte – oder er von mir, dann wäre das schreckliche
     Unglück nicht geschehen. Und um keine verhängnisvollen Fehler zu machen, muss man alles über sich selbst wissen. Deshalb hat
     Dr. Backes mich nach Schauren geschickt. Ich soll in Schauren herausfinden, wer ich bin, woher ich komme, wohin ich gehe.
    Das hat er mir natürlich so nicht gesagt. Er wollte die Sache ja nicht verderben. Hätte ich von Anfang an gewusst, was ich
     in Schauren sollte, wäre ich ganz anders an die Sache herangegangen. Mit mehr Ungeduld. Ich hätte wahrscheinlich nur an mich
     gedacht. An mich und mein Ziel. Ohne klaren Blick für die Wirklichkeit.
    So aber war ich ganz und gar mit Schauren beschäftigt. Das ist die beste Voraussetzung dafür, sich selbst auf die Schliche
     zu kommen. Alle Leute, die ähnliche Probleme mit ihrer Vergangenheit haben wie ich, müssten nach Schauren. Für ein paar Wochen
     bloß. Ich glaube, dann gäbe es weniger Kranke und Gescheiterte auf der Welt.
    Dr. Backes hat das alles schon vorher gewusst. Ich habe meine Zeit dafür gebraucht. Ich musste mich erst selbst entdecken.
     Zum Beispiel habe ich erst in Schauren entdeckt, dass ich ein Liebhaber bin. Durch Lotte. Und ein wenig auch durch Agneta.
    Vor Schauren habe ich mich für einen Mann gehalten, der mit Frauen nicht viel anzufangen weiß. Nicht dass andere Interessen |19| stärker gewesen wären, nein, es war bloß so, dass ich niemals eine ermutigende Resonanz verspürt habe. Keine Frau hat mir
     je das Gefühl gegeben, dass sie mich begehrt, dass sie mich braucht, dass sie ohne mich nicht mehr sein kann.
    Ich habe mir dennoch kaum Körbe eingefangen. Ich bin eine gepflegte Erscheinung, ich verstehe es, Frauen zum Lachen zu bringen,
     und wenn es darauf ankommt, weiß ich, was zu tun ist. Ich bin nicht tapsig oder so. Ganz und gar nicht. Deshalb haben mich
     bisher nur wenige Frauen abgewiesen. Sie haben mich fast alle dazu ermuntert, es weiter bei ihnen zu probieren, was ich dann
     ja auch mit einem gewissen Erfolg getan habe. Aber keine hat mir jemals das Gefühl gegeben, dass sie es nicht mehr erwarten
     kann. So wie Lotte.
    Erst Lotte hat den Mann in mir geweckt. Unter ihren Händen bin ich zu dem geworden, der ich immer hatte sein wollen, ohne
     dass man mir Gelegenheit dazu gegeben hätte. Das habe ich Dr. Backes nicht erzählt. Aber er muss ja auch nicht alles wissen.

|20| 3. KAPITEL
    A m Wackesberg waren zwei Löschzüge im Einsatz. Die Feuerwehrleute aus Metz hielten mit vier Rohren auf die Ruine, doch das
     alte Gemäuer brannte immer noch lichterloh und strahlte
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