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Bollinger und die Barbaren

Titel: Bollinger und die Barbaren
Autoren: Wolfgang Brenner
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deinen Gatten zu sehr respektiere, um ihn vor vollendete
     Tatsachen zu stellen. Wenn du verstehst, was ich meine. Und natürlich will ich dich auf keinen Fall dem Tratsch des Dorfes
     aussetzen.« In mir war etwas, was nach außen drängte. »Es tut mir leid, dass ich dich damit belaste. Aber es ist nun mal so:
     Ich bin in dich verliebt, Lotte. Ich möchte immer mit dir zusammenbleiben. Du bist die Frau meines Lebens.«
    Ich atmete auf. Jetzt ging’s mir besser, viel besser.
    »Du liegst in meinem Ehebett, Felix.«
    Ich drückte mich an sie. Ihre Schenkel, ihre Hüften, das warme Fleisch – ich hatte so etwas noch nie so stark gespürt. Es
     war |15| etwas völlig anderes als das, was ich jemals zuvor bei irgendeiner Frau empfunden hatte. Es war – ja, als wäre ich in den
     Schoß der Mutter zurückgekehrt. Wobei ich natürlich, was Lotte angeht, keinerlei kindliche Gefühle hegte. Im Gegenteil: Obwohl
     sie älter war als ich, war sie für mich immer die jüngere gewesen.
    »Felix!«
    Ihr Herz hatte wieder zugelegt. Es ratterte geradezu. Meine Botschaft war angekommen.
    »Felix!!!«
    »Ja, mein Schatz?«
    »Felix, sieh mal, das Licht!«
    »Das ist doch nur die Straßenlampe.«
    »Aber es ist ... es ist so ... hell.«
    Die gelbliche Straßenlampe schien sich zu einer kleinen Sonne gemausert zu haben.
    »Das ist unsere Glut«, flüsterte ich. »Spürst du es? Wir beide, wir gehören zusammen.«
    Sie richtete sich auf. Ihre rechte Brust rutschte mir unter der Hand weg.
    »Es brennt!«
    »Was?«
    Lotte setzte sich auf. Ihr Gesicht war bleich und voll Angst.
    »Draußen brennt es, Felix!«
    Ich sprang auf und zog den Rollladen hoch. Es wurde unnatürlich hell im Zimmer.
    Ein kaltes, böses Licht. Ich zog die Gardinen zurück und öffnete das Fenster. Von der Hauptstraße her waren aufgeregte Stimmen
     zu hören, aber in unserer Gasse konnte ich niemanden sehen. Der Friedhof mit den weißen Grabsteinen und die Kirche leuchteten
     wie bei einem Feuerwerk.
    Lotte riss mich vom Fenster weg. »Bist du wahnsinnig? Wenn dich jemand sieht!«
    »Aber ich bin der Polizeichef, ich muss ...«
    »Gar nichts musst du! Oder hat dich jemand gerufen?«
    |16| »Ich muss sofort zum Brandherd! Wer weiß, vielleicht sind Menschen in Gefahr.«
    »Das ist der Wackesberg. Gleich hinterm Friedhof. Man sieht von hier die Spitze mit der Ruine. Dort ist niemand, und wenn
     der Schandfleck abbrennt, ist es eine Wohltat für Schauren.«
    Ich fuhr täglich daran vorbei. Der Wackesberg war ein heruntergekommenes Areal am Ortsausgang von Schauren. Dort wucherte
     über Mauerresten meterhohes Unkraut. In Deutschland wäre der Besitzer eines solchen Grundstücks behördlich gezwungen worden,
     es vom Unrat zu räumen. Aber hier war eben alles anders, hier kümmerte sich kein Mensch um den Dreck am Ortsrand. Immerhin
     war der Wackesberg abgesperrt, ich hatte sogar ein Warnschild gesehen: »Vorsicht! Baufällige Ruine.«
    »Ich muß trotzdem hin. Es ist meine Pflicht.«
    Ich schlüpfte in meine Hose.
    Lotte war schon wieder im Bett.
    »Komm doch! Dort treiben sich bloß Ratten herum. Die Gemeinde versucht seit Jahren, einen Käufer zu finden. Aber die Makler
     aus Metz und Saarbrücken winken alle ab, wenn sie das Gelände sehen und erfahren, dass ein Käufer den Abriss der Ruine zu
     bezahlen hätte.«
    »Soll das heißen, dass der Wackesberg Gemeindeeigentum ist?«
    »Was glaubst du denn? Ein Privatmann hätte längst etwas darauf gebaut. Aber Pierre hat kein Geld ...«
    Pierre. Pierre. Pierre. Ich konnte diesen Namen nicht mehr hören. Warum konnten wir nicht ohne ihn sein? Warum sprach sie
     ständig von ihm? Sogar jetzt, wo das Feuer auf dem Wackesberg unser Glück so jäh gestört hatte, fiel zuerst sein Name.
    Aber Pierre hat kein Geld ... Als ob es sein Geld wäre, das die Gemeinde ausgab. In Schauren ging nichts ohne Pierre Brück. Der große Pierre Brück
     hat’s gegeben, der große Pierre Brück hat’s genommen.
    Zum Teufel mit Pierre Brück.

|17| 2. KAPITEL
    D ie Lösung von allem liegt in der Vergangenheit. Das wird mir immer klarer. Ich bin in Schauren, weil ich mich meiner eigenen
     Vergangenheit stellen muss. Das ist schwer zu verstehen, weil es so therapeutisch klingt. Man kommt der Sache aber nur auf
     die Schliche, wenn man sich von den therapeutischen Sichtweisen löst. Das jedenfalls sagt Dr. Backes, mein Mentor in Saarbrücken.
     Ich habe ihm vor ein paar Tagen am Telefon erzählt, dass alles wieder hochkommt, dass mir
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