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Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman

Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman

Titel: Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman
Autoren: Bastei Lübbe
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harten Schlag versetzt. Wir hatten seine Frau beerdigt, und er und ich wussten, was Leid bedeutet.
    Als ich Gregor an die Straße führte, spielte das Wetter verrückt. Sonnenstrahlen erstarben hinter sich entleerenden schwarzen Wolken, die Schneematsch auf die Stadt warfen. Wir verabredeten uns, um gemeinsam die Gräber auf dem Friedhof aufzusuchen.
    Während Gregor den Absprung aus seiner Kanzlei suchte, um seinem Schwiegersohn Platz zu machen, verspürte ich neue Kraft in mir und wünschte mir mehr noch als früher den von meinen Schülern akzeptierten Rang zurück.
    Auch Gregor erholte sich ein wenig. Wir fuhren in regelmäßigen Abständen zum Friedhof, zupften Unkraut von den Gräbern und begossen, wenn es notwendig war, die Pflanzen. Mein Schuldienst begann mich wieder auszufüllen und die Noten, die ich unter die Klassenarbeiten setzte, stiegen an und damit erfreulicherweise auch die Schülerleistungen. Ich hatte mich vom Doornkaat ferngehalten und auch die zwischendurch gerauchten Zigaretten zahlenmäßig eingeschränkt.
    Gregor dagegen, mit seinen siebzig Jahren, musste seine Leere noch überwinden. Die Sauna, in der es lustig zuging und wortreich Anekdötchen und Witze kursierten, hielt ihn aufrecht, und ich war mir sicher, dass er ebenfalls bald seine Krise überwinden würde.
    Ich war sehr stolz auf seine Freundschaft. Für mich war er während meiner schweren Zeit der einzige Halt gewesen. Er führte meinen Prozess gegen den Hundehalter und dessen Versicherung, die mit mir kriminell erscheinenden Mitteln versuchte, den Pfad der Gerechtigkeit zu verlassen, um mir trickreich weiteren Schaden zuzufügen. Mir war mittlerweile jedes Ergebnis recht, da ich meine Ruhe anstrebte.
    Nach einigen Tagen erschien Gregor bei mir mit der Frage: »Hajo, fährst du mit zum Ölhafen? Ein kleiner Deichbummel und hinterher etwas Ablenkendes für den Magen.«
    Ich wusste, dass er gern hinter den Scheiben des Ölhafenrestaurants saß und über den Deich die riesigen Tanker beobachtete, die an der Pier lagen. Sein Fernweh hatte ewig auf ihm gelastet, und Beruf und Familie hatten aus ihm das gemacht, was sich millionenfach wiederholt, nämlich einen treu sorgenden Vater und Ehemann, der bald Großvaterfreuden entgegensah. Nun war er zu alt geworden, um die Planken eines Schiffes zu betreten. Zwar besaß Gregor das Geld, eine Kreuzfahrt zu buchen, aber die Angst des Alters vor Krankheit und Sekundentod und der Gedanke, fernab von der Stadt zu leben, deren Geschicke er in den Krisen- und Aufbaujahren mitgestaltet hatte, hielt ihn zu Hause in der leeren Wohnung.
    Im Restaurant aßen wir ein Spezialgericht, »Haifischfilet«. Die Katzenhaie, die rund um Helgoland gefangen werden, haben ihren Preis. Gregor bezahlte.
    Plötzlich hatte ich eine Idee. Er und ich waren alleine. Mein Blick erfasste den dunklen Wolkenhimmel, der das Grün des Deiches matt eintrübte, und die vor den Löschköpfen vertäuten wuchtigen Tanker, die Wind und Wetter trotzten. Ihre Aufbauten ragten in das Grau des Nachmittags.
    »Gregor, die ›Finnjet‹ übertrifft noch an Größe diese Tanker!«, sagte ich und beobachtete seine Augen, in die ein helles Strahlen einzog. »Gregor, wie wäre es, wenn wir uns im Sommer im tiefen Norden eine Hütte nehmen würden?«
    »Mach keine Witze«, sagte er ernst.
    »Nein«, antwortete ich. »Mein Vorschlag steht!«
    Gregor blickte lange auf das Meer, das den Küstenstreifen nur schemenhaft zeigte. »Ausgezeichnet!«, sagte er. »Ich will mich wohl darum kümmern.«
    Heute weiß ich, dass ich Gregor nicht hätte animieren dürfen, denn mit dem sich langsam abzeichnenden Frühling näherten sich mir Ereignisse, die mich, hätte ich sie erahnt, vielleicht auf den Rathausturm zum Sprung in die Tiefe angeregt hätten, um ihnen zu entfliehen.
    Ich hatte lange in den kalten Februarmorgen hinein geschlafen, denn mein Leistungskurs in Mathematik, den hauptsächlich nur Schüler meiner Klasse besuchten, sicherlich die Folge meines unfreundlichen Benehmens in der letzten Zeit, begann erst zur vierten Stunde. Über die Stadt wölbte sich das häufige Grau. Ein Kälteeinbruch hatte über Nacht Frost gebracht, und ich stand frierend im Schlafanzug auf dem Balkon und sah zu, wie zarte Schneeflocken auf die Erde tanzten.
    Blitzartig fielen mir die Gräber ein, und mich beschlich das Gefühl, als müsse ich meiner ausgelöschten Familie Schutz vor der Kälte bieten. Ich heulte ein wenig und kam mir sehr einsam vor.
    Einen Tee, dachte ich
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