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Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman

Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman

Titel: Böses Spiel in Friesland - Kriminalroman
Autoren: Bastei Lübbe
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möchte. Eine sichtbare Bissnarbe an meinem Bein hatte ein frecher rotbrauner Spitz hinterlassen, und das war vor knapp fünfundzwanzig Jahren. Mein Vater hatte mir Geld und einen Krug in die Hand gedrückt und mich zur Gaststätte geschickt, um Bier zu holen. In der Vorhalle des Restaurants war der Hund wie ein Teufel auf mich losgegangen. Noch heute sehe ich, wie der Krug auf den Steinplatten zerschlug, aus meiner Hand das Silbergeld rollte und ich auf dem Boden lag, den Schmerz spürte und zusah, wie sich der hochgewachsene Wirt, der süddeutsch sprach, vergeblich bemühte, den Spitz von meinem Bein zu trennen. Erst der hinzugerufene Arzt brachte die Rettung. Seit meiner Kindheit meide ich daher Hunde, wechsle die Bürgersteige, wenn sie, von ihren Haltern sträflich vernachlässigt, frei herumtollen.
    Erika sprach in meine Gedanken: »Hajo, bekommen Anja und ich einen dieser niedlichen Hausfreunde zu Weihnachten?«
    Ich wollte Erika meinen im Unterbewusstsein verankerten Hundehass vorenthalten. »Ich überlege mir das noch«, antwortete ich zögernd.
    Vor mir deuteten die Lichter an, dass sich Westerstede näherte. Rechts neben mir lagen die riesigen Treibhäuser einer Großgärtnerei. Das Licht der Scheinwerfer des mir entgegenkommenden Autos auf der nassen Fahrbahn blendete mich. Unerwartet huschte plötzlich etwas Dunkles in den Strahl meines linken Scheinwerfers. Im Bruchteil einer Sekunde erkannte ich zwei glühende, grünlich aufleuchtende Punkte.
    »Ein Hund!«, schrie ich und trat heftig auf die Bremse und fühlte gleichzeitig den harten Schlag, den der Aufprall des Tieres gegen die Vorderpartie meines Wagens hervorgerufen hatte.
    Heute weiß ich, dass mein Tritt auf das Bremspedal zu hart und forsch ausgefallen war. Ich hielt den Wagen nicht mehr. Er scherte aus seiner Spur aus, schoss auf den Straßengraben zu. Vor meinen Augen dehnte sich die Autoscheibe, sie wuchs an und bog sich zu einer runden Scheibe wie bei einer Hubschrauberkanzel. Ich sah, wie mein Wagen einen Straßenpfahl traf und ihn in die Luft wirbelte. Wie in einer Zeitlupenaufnahme sah ich jede Drehung, die er vollzog. Mit meiner ganzen Kraft hielt ich das Steuerrad fest, versuchte gegenzusteuern, um über die schräge Seitenböschung den Wagen auf die Straße zurückzubringen. Es gelang mir nicht, dem Graben zu entfliehen. Mein Wagen donnerte voll gegen den dunklen Pfeiler der kleinen Brücke.
    Das letzte Bild, das ich mit in eine schwere, dumpfe Ohnmacht nahm, waren die vielen Zacken in der Glasscheibe, die sich ganz langsam zu riesigen Spinnennetzen ausweiteten, durch die ich einem Licht entgegenzufliegen schien.
    Von all dem, was danach geschah, erfuhr ich erst viel später. Der Fahrer des Wagens, der uns in Distanz gefolgt war, hatte beobachtet, wie wir plötzlich von der Fahrbahn verschwunden waren. Es war ihm gelungen, mich aus dem verkeilten Schrotthaufen zu bergen. Ein Mopedfahrer hatte sich mutig auf die Bundesstraße gestellt und den Verkehrsfluss abgestoppt. Hilfreiche Menschen waren zur Tankstelle gehastet und hatten den Notrettungswagen angefordert, der sich im wahnsinnigen Tempo mit Blaulicht, für Anja und Erika vergeblich, der Unfallstelle genähert hatte. Die jungen Ärzte hatten gegeben, was sie konnten. Ihre Bemühungen, mir meine Familie zu erhalten, blieben ohne Erfolg. Für Tage lag ich in einem tiefen, dumpfen Heilschlaf, von dem ich nur traumhafte Visionen in Erinnerung behalten habe. Hätte ich gewusst, was der Oberarzt mir mit bleichem, überarbeitetem Gesicht eröffnen würde, als ich unruhig den Weg in die Wirklichkeit zurücksuchte, ich hätte mich entschlossen, nie mehr aufzuwachen, denn im Koma liegend hatte ich selbst die Beerdigung meiner kleinen süßen Tochter Anja und meiner geliebten Erika verpasst. Nach meiner Genesung blieb mir nur noch der bittere Gang zu ihren Gräbern.
    »Die Zeit heilt alle Wunden«, sagte Gregor, als er mich nach dem Saunabesuch in meine Wohnung begleitete. Wir stillten unseren Durst mit Bier.
    Die Presse bangte mit der arbeitenden Bevölkerung um eine Landesbürgschaft, die den durch Billigimporte angeschlagenen Maschinenkonzern über die Runden retten und damit die wichtigen Arbeitsplätze erhalten helfen sollte. Themen gab es genug. Wir unterhielten uns über Krisen und Insolvenzen. Das Parteienkarussell drehte sich in Berlin. Verlässliche Sicherheiten gerieten unter Diskussionsdruck. Machtwechsel für wen? Machtwechsel für was? Außerdem hatte das Schicksal Gregor einen
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