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Böser Engel

Böser Engel

Titel: Böser Engel
Autoren: George Wethern
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Ralph Hubert Barger jr., aber seine Freunde nannten ihn Sonny. Er war in Modesto geboren, und mit sechs Monaten hatte ihn seine Mutter dem Vater überlassen. Seine Mutter sah er nie wieder. Wie ich hatte er die Oakland Highschool abgebrochen und war zum Militär gegangen. Den Leuten erzählte er meist, er habe die Schule 1955 als Zehntklässler verlassen und dann ein Jahr in der Armee gedient. Man habe ihn aber entlassen, als er wegen seines zu jungen Alters aufgeflogen war. Nach seiner Anwärterzeit beim Nomaden-Charter der Angels habe er das Oakland-Charter aufgebaut und sei 1957 dessen Präsident geworden.
    Sonny lächelte nie, doch er war nicht unfreundlich. Wir schüttelten einander die Hände und plauderten über Motorräder und den Club. Als die anderen Angels sich uns anschlossen, redete ich weniger und beschränkte mich aufs Zuhören und Beobachten. Sonny hingegen, der selbst erst zwanzig war, leitete das Gespräch.
    Ohne wie ein Jugendlicher zu wirken, sprach er vom Motorradfahren als Lebensstil, nicht als Hobby. »Aber warum davon reden, wenn man’s tun kann?« Er ging zu seinem Motorrad, machte eine lässige Kopfbewegung und fragte: »Na los, George. Lust auf ’ne Tour?«
    »Klar«, sagte ich und brach auf zu meinem ersten »Run« – mit gerade einmal zwanzig Minuten Fahrpraxis auf einem Motorrad. Die Gruppe fuhr den Boulevard entlang, von einer Ampel zur nächsten, und ich fiel weit zurück, vor allem auf den geraden Strecken, weil meine Maschine bei jedem Versuch, sie hochzudrehen, stotterte und abstarb. Wenn ich das Bein hob, sprang der Motor wieder an, nur um eine Minute später erneut auszugehen. Ich versuchte mitzuhalten und wurde dabei schier verrückt. Nachdem ich den Motor sieben- oder achtmal abgewürgt hatte, hielten wir endlich vor Top’s Cafe, in dem die Biker regelmäßig Kaffee tranken. Sonny schaute sich meine Maschine an und kam zu dem Schluss, dass mein Hosenbein dem Vergaser die Luft abschnitt.
    Sonny nahm ein paar kleine Reparaturen vor, und nach einigen Ausfahrten steuerte ich meine Harley mit der gleichen wundervollen Eleganz durch den Verkehr wie die anderen. Ich liebte das Dröhnen der großen Kolben und kam sogar mit der nach hinten verlagerten Schaltung klar, die damals große Mode war. Sie verlangte präzise Bewegungen – eine Hand steuerte, während die andere zurückschwang und den Gang einlegte.
    Meist fuhren wir, bis der Hintern schmerzte. Dann hielten wir an, tranken Kaffee und fuhren weiter. Wir rasten wie die Irren, donnerten in Kneipen hinein oder die Gehsteige entlang, rissen das Vorderrad in die Höhe, sahen einfach gut aus und fühlten uns gut. Es war fantastisch, zu viert oder zu fünft nebeneinander zu fahren und beide Spuren zu besetzen. Niemand überholte uns. Wir lösten Staus hinter uns aus, wann immer wir Lust hatten. Wir fuhren einfach los, die Motoren surrten, und alle blieben zusammen.
    Etwa drei Wochen nach meiner ersten Ausfahrt wartete ich auf der Veranda eines Hauses auf der anderen Seite der Eisenbahnschienen entlang der 23rd Avenue. Ich war nervös. Drinnen diskutierten etwa 15 Mitglieder über ihren neuen »Anwärter« – über meine Persönlichkeit, meine Fahrkünste und vor allem meinen Wunsch, Mitglied zu werden. Zwei Neinstimmen hätten das Aus für mich bedeutet, aber alle fanden: je mehr, desto besser.
    Als sie mich hineinriefen, gratulierten mir alle mit einem Händedruck und mit kräftigen Schlägen auf den Rücken. Ich bezahlte die wöchentliche Gebühr von 25 Cent und ein paar Dollar für das Club-Abzeichen, doch ich besaß noch keine Kutte. »Keine Sorge«, sagte Sonny und warf mir seine alte Jacke zu. Der Totenkopf war mit Blut getränkt, das Sonny bei einem Kieferbruch vergossen hatte. Stolz schlüpfte ich in die eng anliegende Jacke. Das Gefühl, Kameraden und einen Status zu haben, elektrisierte mich. Jetzt war ich kein Schulabbrecher mehr und kein entlassener Soldat, ich war ein Hells Angel.
    Zu Hause musste ich allerdings einen Dämpfer hinnehmen. Hass ist ein mildes Wort, um zu beschreiben, was meine Mutter vom Club hielt. Schon der Name verspottete den Glauben, den sie jeden Tag in der Messe feierte. Sie hielt uns für arrogante Punks im späten Teenageralter, die bei ihren Eltern wohnten und von diesen abhängig waren. Jedes Mal, wenn mich Angels besuchten, rümpfte sie wegen der eingefetteten, zurückgekämmten Haare die Nase und nannte sie ein Pack von Vagabunden. Einmal schlug sie mit einem Besen auf ein paar Jungs
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