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Böser Engel

Böser Engel

Titel: Böser Engel
Autoren: Timothy Carter
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ich.
    »Die Sünde des Onan zählt zu den liederlichsten Sünden auf Erden«, fuhr sie fort. »Am besten, ich lese euch die nächste Zeile auch noch vor: ›Da gefiel dem Herrn übel, was er tat, und er tötete ihn auch.‹«
    »O Gott«, entfuhr es Chester.
    »Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen«, donnerte Jacob.
    »Entschuldigung«, sagte Chester.
    »Voll krass«, sagte Ryan.
    »Was genau meinst du damit?«, wollte Mrs. Farmson von ihm wissen.
    »Na ja«, erklärte Ryan. »Den Typen dafür gleich um die Ecke bringen? Hätte der da oben ihn nicht mit einer Warnung davonkommen lassen können?«
    »Gottes Taten sind unfehlbar«, gab Jacob zurück. »Zweifel an ihm sind Zweifel an seiner Göttlichkeit!«
    »Ryan hat recht«, mischte Jane sich ein. »Warum bestraft Gott die Mörder und Vergewaltiger dieser Welt dann nicht mit dem Tode? Was sie tun, ist doch viel schlimmer, als … als sich selbst zu berühren, oder?«
    »Was habe ich gerade über Zweifel am Allmächtigen gesagt?«, regte Jacob sich auf.
    »War ja nur ’ne Frage«, verteidigte Jane sich.
    »Fragen zu stellen lässt darauf schließen, dass der Glaube zu schwach ist!«, wetterte Jacob.
    »Tut es nicht«, widersprach Mrs. Farmson ihrem Sohn. »Das Thema hatten wir bereits, Jacob. Fragen bringen uns näher an die Wahrheit Gottes.«
    »Aber, Mutter …«
    »Gott findet sexuelle Sünden besonders schlimm, nicht wahr?«, riss Lucie das Wort an sich. »Ich meine, er hat Ehebruch mit in die Zehn Gebote aufgenommen und Sodom und Gomorrha plattgemacht, weil es dort nur so von Homos wimmelte … Nichts für ungut, Stuart.«
    Ich brummte nur.
    »Der Allmächtige findet jegliche Form der Sünde schlimm«, sagte Jacob.
    »Das stimmt«, pflichtete Mrs. Farmson ihm bei. »Und damit wir genau diesen Sünden aus dem Weg gehen, müssen wir uns bewusstmachen, was alles dazu zählt.«
    Mrs. Farmson ging erneut auf Onan ein und gab uns Ratschläge, wie wir am besten standhaft bleiben konnten. Da ich nicht vorhatte, mit meinen Duschspielchen aufzuhören, schaltete ich kurzerhand auf Durchzug. Mir entging jedoch nicht, dass Chester sich fleißig Notizen machte und Jacob ihn dabei aufmerksam beobachtete. Armer Chester.
    »Eines noch, ehe wir den heutigen Unterricht wie immer mit einem Gebet beschließen«, meinte Mrs. Farm son.
    An der Stelle klinkte ich mich wieder ein.
    »Vergesst bitte nicht, dass am Freitag die Gruppe aus Wernsbridge anlässlich unseres Jugendtreffens kommt.«
    Ich stöhnte innerlich. Ich hasse Jugendtreffen. Das einzige, das ich bislang miterlebt hatte, war mit den Wernsbridgern gewesen und hatte mir gereicht. Für jemanden, der nicht sehr gläubig ist, sind diese Heile-Welt-Veranstaltungen die reinste Psychofolter. Vor allem, wenn man auch noch gezwungen ist, sich aktiv einzubringen.
    »Betet für gutes Wetter«, fuhr Mrs. Farmson fort, »und kommt direkt im Anschluss an die Schule zum Wender’s Park. Ach ja, Stuart …«
    »Schon gut, schon gut«, sagte ich. »Mach bitte nichts Schwules.«
    »Vielen Dank«, meinte Mrs. Farmson. »Chester, wärst du so nett, das Schlussgebet zu sprechen?«
    Chesters Gebet war unbeholfen und holprig, gespickt mit Ähms, Ähs und abgedroschenen Phrasen wie »Wir danken Dir dafür, dass Du uns hier zusammengeführt hast«. Das soll jetzt aber nicht heißen, dass ich es besser gemacht hätte. Keiner von uns riss sich je darum, das Abschlussgebet zu sprechen – mit Ausnahme von Jacob. Es war, als säße man auf dem elektrischen Stuhl. Und Mrs. Farmson liebte es, jemanden auf den elektrischen Stuhl zu schicken – im übertragenen Sinne.
    Während ich mit ansah, wie Chester sich abmühte, dachte ich an unsere erste Begegnung zurück. Es war beim letzten Treffen mit der Jugendgruppe in Wernsbridge gewesen. Er und seine Familie hatten damals dort gelebt und mich bei sich aufgenommen.
    Wie sich herausstellte, war Chester sich nicht ganz sicher, zu welchem Ufer er tendierte – ihr wisst schon, was ich meine. An einem Abend, als der Rest seiner Familie bereits im Bett lag, trafen wir uns zum Petting im Keller. Oberhalb der Gürtellinie, versteht sich. Ich kann mir kaum vorstellen, dass ich in diesem Teil des Landes irgendwann mal richtig auf meine Kosten komme.
    Am nächsten Morgen sprach Chester auf einmal kein Wort mehr mit mir. Er tat gerade so, als hätte er ein schweres Verbrechen begangen. Als wir zum Treffen der Jugendgruppe kamen, wurde mir auch klar, warum.
    Es war der Tag, an dem ich
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