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Böser Engel

Böser Engel

Titel: Böser Engel
Autoren: Timothy Carter
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gerade eben erst besprochen«, meldete sich Chester zu Wort.
    »Wie auch immer«, sagte ich und bahnte mir einen Weg durch die Menge. »Ich mach dann mal einen Abflug.«
    Sie ließen mich gehen. Nicht, dass ich mir Sorgen gemacht hätte, sie würden mich gewaltsam daran hindern. Das heißt, ein klitzekleines bisschen mulmig war mir schon zumute. Was, wenn sie darauf bestanden hätten, dass ich auf die Knie sank und um Vergebung bat?
    Ich konnte allerdings spüren, wie mir sämtliche Blicke folgten. An der Treppe wandte ich mich um, sah von meinem Bruder zu meiner Schwester, dann zu Mrs. Farmson, zu Jacob und all den anderen. Schweigend und voller Unbehagen betrachteten sie mich – als würde ich mich vom Schauplatz eines Mordes entfernen und hätte das blutige Messer noch in der Hand.
    »Regt euch wieder ab«, sagte ich, drehte mich um und lief nach oben.
     
    Normalerweise blieb ich bis zum Ende des zweiten Teils des Gottesdienstes, weil Mom darauf bestand. Heute gönnte ich mir eine Auszeit. Es kam gar nicht in Frage, dass ich mich zu den anderen setzte, als wäre nichts geschehen, nur damit sie tuscheln und mich anstarren konnten. Außerdem hatte ich Wichtigeres zu erledigen.
    Ganz oben auf der Liste der Dinge, die mir wichtiger waren, stand mein Hobby. Und genau dem würde ich jetzt wie jeden Sonntag nachgehen.
    In einem Cafe kaufte ich Kaffee und Donuts. Für das, was ich vorhatte, war zwar keine Verpflegung notwendig, etwas Essbares dabeizuhaben, erleichterte die Sache jedoch ungemein, wie mir die Erfahrung gezeigt hatte.
    Mein nächster und letzter Halt war ein leerstehendes Geschäftsgebäude abseits der Hauptstraße. Die Eingangstür war verschlossen, aber ich kannte ein Schlupfloch: Eines der Fenster im zweiten Stock war nicht verriegelt. Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass mich niemand beobachtete, erklomm ich die Feuerleiter und kletterte durch besagtes Fenster.
    In den oberen Geschossen befanden sich die früheren Büro- und Privaträume des Ladenbesitzers. Nachdem ich die Treppe gefunden hatte, tastete ich mich nach unten voran. Abgesehen von den dünnen Lichtstrahlen, die durch die mit Holzbrettern vernagelten Fenster fielen, gab es kein Licht. Und solange ich mir nicht hundertprozentig sicher sein konnte, dass mich nicht doch jemand entdeckte, verzichtete ich lieber auf den Einsatz meiner Taschenlampe.
    Im Keller war ich jedoch vor neugierigen Augen geschützt. Ich stellte meinen Rucksack ab, holte die Taschenlampe hervor und knipste sie an.
    Viel zu sehen gab es nicht. Ein paar Stühle und einige alte Verkaufsständer. Der Holzfußboden war dreckig, bot aber genug Platz für das, was ich vorhatte. Bei genauerer Betrachtung konnte ich die Kreidestriche des Dreiecks erkennen, das ich bei meinem letzten Besuch gezeichnet hatte. Nachdem ich mich im Schneidersitz daneben niedergelassen hatte, stellte ich die Taschenlampe so ab, dass sie die Decke anstrahlte. Dann machte ich mich an die Arbeit.
    Die Bewohner von Ice Lake wären, um es freundlich auszudrücken, alles andere als erfreut gewesen, wenn sie gewusst hätten, dass ich regelmäßig einen Dämon heraufbeschwor. Die meisten Menschen bekamen es ja bereits bei der Andeutung, dass derartige Gestalten existieren könnten, mit der Angst zu tun. Warum ich das tat? Aus einem einzigen Grund: Ich wollte die Wahrheit hören.
    Das Haus war der perfekte Ort für eine Dämonenbeschwörung. Vor zehn Jahren hatte es hier einen Mord mit anschließendem Selbstmord gegeben, weshalb sich auch nie ein Nachmieter gefunden hatte. Es war in vielerlei Hinsicht ideal für mich und mein Hobby. Die Wahrscheinlichkeit, dass mich jemand störte, war gering, und Orte, an denen Böses geschehen war, eigneten sich hervorragend für das Heraufbeschwören von dämonischen Kreaturen. Die physischen Barrieren zwischen den Welten sind dann schwächer oder so. Zumindest habe ich etwas in der Richtung in einem meiner Bücher über schwarze Magie gelesen.
    Als erste Amtshandlung entzündete ich einige Kerzen, ehe ich das Kreidedreieck erneuerte. Ich hatte herausgefunden, dass sich ein Dreieck um einiges besser dazu eignete, das Tor zur Hölle zu öffnen, als das traditionelle sternförmige Pentagramm. Sobald ich mit der Kreidezeichnung fertig war, fuhr ich die Linien noch mit einem Pinsel nach, den ich zuvor in das Blut eines unschuldigen Wesens getaucht hatte. Und es war leicht gewesen, es zu besorgen: Ich hatte nicht mehr zu tun brauchen, als meinem Bruder die Hand
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