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Böser Bruder, toter Bruder

Böser Bruder, toter Bruder

Titel: Böser Bruder, toter Bruder
Autoren: Narinder Dhami
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ließ sie mich nicht fallen. Sie ist treu und lustig und herzlich. Sie redet zu viel, aber meistens lasse ich ihren Wortschwall einfach an mir vorbeirauschen. Das tut so gut, wie in einem heißen, duftenden Bad zu liegen, denn es ist so herrlich normal.
    »Stell dir vor, gestern hat Daniel angerufe n …«, sprudelt Bree los, als ich bei ihr bin.
    Ich höre zu, während sie mir das Gespräch mit ihrem Freund bis ins kleinste Detail nacherzählt. Daniel will Bree dazu überreden, mit ihm zu schlafen, und Bree weiß nicht, was sie tun soll.
    Ich stelle mir vor, wie wunderbar es wäre, wenn ich keine anderen Sorgen hätte, als mich entscheiden zu müssen, ob ich mit einem toll aussehende n – wenn auch ein bisschen arrogante n – Jungen ins Bett gehen soll oder nicht. Ich hatte noch nie einen Freund, es sei denn, man zählt Callum Carter dazu, der mich in der Grundschule immer über den Schulhof gejagt hat, um mich zu küssen. Sicher wird mich eines Tages irgendein Verzweifelter fragen, ob ich mit ihm gehen will. Allerdings kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, jemals einen Freund mit nach Hause zu bringen. Wenn Mum in ihrer manischen Phase ist, wird sie wahrscheinlich mit ihm flirten und sich auf seinen Schoß setzen wollen. Und wenn sie depressiv ist, könnte sie in seiner Gegenwart leicht in Tränen ausbrechen. In jedem Fall dürfte es verdammt peinlich werden.
    »Und dann meinte er, wenn ich ihn wirklich lieben würde, dann würde ich mit ihm schlafen wollen «, sagt Bree.
    »Die alte Leier?« Ich ziehe die Augenbrauen hoch. »Da hätte ich Daniel aber was Originelleres zugetraut.«
    Bree kichert.
    Nein, der Sex würde mir keine Sorgen machen. Nur die Vorstellung, neben einem anderen einzuschlafen. Dass er mich beobachten könnte, während ich schlafe. Ich kann mir nicht vorstellen, jemandem so sehr zu vertrauen.
    Es klingelt, und wir trotten widerstrebend Richtung Eingang.
    Und dann geht alles sehr schnell.
    Bree und ich müssen zu unserer Klasse im zweiten Stock, wo wie üblich eine Keilerei im Gange ist. Jamie ist nicht zu sehen. Das überrascht mich. Und macht mir Sorgen.
    »Mia, wo ist denn Jamie?«, ruft irgendjemand über das Gekicher und Geschwätz in der Klasse hinweg.
    Ich ignoriere ihn, drehe mich nicht einmal um, denn ich weiß, dass er mich bloß ärgern will. Schließlich hat inzwischen jeder mitbekommen, wie viel mein Bruder mir bedeutet. Aber ich kann jetzt nicht über Jamie reden. Mich beschleicht das ungute Gefühl, dass etwas Schreckliches passieren wird, und mein Herz beginnt zu rasen.
    Bree wirft mir einen Blick zu und öffnet den Mund. Ich gehe davon aus, dass auch sie mich nach Jamie fragen wird, aber ich will es nicht hören. Abrupt wende ich mich ab und tue so, als suchte ich etwas in meiner Tasche.
    »Setzt euch, holt eure Bücher raus und haltet die Klappe, 9 a!«, brüllt unsere Lehrerin M s Powell, während sie mit dem Klassenbuch unterm Arm hereinkommt.
    Bree hat sich Lee Hung zugewandt, die auf der anderen Seite neben ihr sitzt. Ich lehne meinen Kopf an die Fensterscheibe, an der mein Tisch steht, und frage mich völlig erschöpft, wann Kat Randall es wohl satthat, mich zu piesacken, und sich ein anderes Opfer sucht.
    Ich wünschte, ich könnte irgendwas machen, um sie loszuwerden. Aber ich kann’s nicht, weil ich schlicht und ergreifend zu feige bin.
    Während ich auf den Schulhof hinabstarre, entdecke ich Jamie. Er hat den Kopf gesenkt, aber er geht sehr zielgerichte t – allerdings nicht zu unserer Klasse. Er marschiert in die andere Richtung, zum Nebengebäude.
    Hollyfield ist eine ziemlich alte Schule, die schon in den Siebzigern gebaut wurde. Im Laufe der Jahre hat man sie immer wieder erweitert. Das zweistöckige Nebengebäude ist durch einen gläsernen Gang mit dem Haupthaus verbunden, und im ersten Stock befindet sich die 9 d, die Klasse von Kat Randall und Konsorten.
    Jamie, was hast du vor?, frage ich lautlos. Sprich doch mit mir.
    Früher bestand zwischen meinem Bruder und mir eine Art telepathische Verbindung, wie es bei Zwillingen häufig vorkommt. Sie war so zart und flüchtig wie ein Schmetterling. Doch seit Opas Tod kommt sie kaum noch zustande. Jamie ist sehr geschickt darin, mich auszuschließen, und so überrascht es mich nicht, dass er mir jetzt nicht antwortet.
    Was hat er im Anbau vor?
    Es wird etwas Schreckliches passieren.
    Ich weiß es.
    Ich stehe mit weichen Knien auf. Noch sitzen nicht alle, Bree ist mit Lee Hung ins Gespräch vertieft, und M s
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