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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Atheisten. Mir mißfällt dieser Ruf, Stepan Trofimowitsch! Ich wünschte nicht, daß man Sie einen Atheisten nennt, besonders jetzt wünschte ich es nicht. Auch früher habe ich es nicht gewünscht, weil es alles nur leeres Gerede ist. Das muß doch endlich einmal gesagt werden.«
    »Mais, ma chère …«
    »Hören Sie, Stepan Trofimowitsch, was Gelehrsamkeit angeht, so bin ich im Vergleich zu Ihnen eine Ignorantin, aber auf der Fahrt hierher habe ich viel über Sie nachgedacht. Und ich bin zu einer Überzeugung gelangt.«
    »Und zu welcher Überzeugung?«
    »Zu der Überzeugung, daß Sie und ich nicht die klügsten Menschen auf der Welt sind, sondern daß es noch klügere gibt als uns.«
    »Ebenso geistreich wie treffend. Es gibt Klügere, folglich gibt es Leute, die der Wahrheit näher kommen, also, wir können uns irren, nicht wahr? Mais, ma bonne amie, gesetzt den Fall, daß ich mich irre, so habe ich doch mein allmenschliches, jederzeit gültiges, höchstes Recht auf Gewissensfreiheit? Ich habe doch das Recht, nicht bigott und fanatisch zu sein, sobald ich es will, weshalb ich naturgemäß von gewissen Herrschaften bis ans Ende der Zeiten gehaßt werde. Et puis, comme on trouve toujours plus de moines que de raison , und da ich damit völlig übereinstimme …«
    »Wie war das? Was haben Sie gesagt?«
    »Ich sagte: on trouve toujours plus de moines que de raison, und da ich damit …«
    »Das ist bestimmt nicht von Ihnen; das haben Sie bestimmt irgendwo gelesen?«
    » Pascal hat das gesagt.«
    »Hab’ ich mir doch gedacht … daß es nicht von Ihnen ist! Warum können Sie niemals so etwas sagen, so kurz und treffend, sondern warum ziehen Sie immer alles in die Länge? Das ist viel besser als die administrative Ekstase von vorhin …«
    » Ma foi, chère  … Warum? Erstens, weil ich vielleicht eben doch kein Pascal bin, et puis … zweitens, weil wir, die Russen, nicht imstande sind, in unserer Sprache überhaupt etwas zu sagen … Wenigstens haben wir bis jetzt noch nichts gesagt …«
    »Hm! Vielleicht ist das gar nicht wahr. Jedenfalls sollten Sie sich solche Worte notieren und merken, wissen Sie, für den Fall, daß es zu einer Unterhaltung kommt … Ach, Stepan Trofimowitsch, unterwegs habe ich mir vorgenommen, mich mit Ihnen ganz, ganz ernsthaft zu besprechen!«
    »Chère, chère amie!«
    »Jetzt, da alle diese Lembkes, alle diese Karmasinows … Ach, mein Gott, wie lassen Sie sich bloß gehen! Ach, wie Sie mich quälen … Ich wünschte mir, daß alle diese Leute Sie verehren, denn sie sind Ihren Finger, Ihren kleinen Finger nicht wert! Und wie stehen Sie da? Was werden sie sehen? Was kann ich ihnen präsentieren? Statt als edles lebendiges Zeugnis, statt weiterhin als Vorbild dazustehen, umgeben Sie sich mit Gesindel, nehmen unmögliche Gewohnheiten an, vergreisen, können ohne Wein und Karten nicht mehr leben, lesen nur Paul de Kock und schreiben überhaupt nichts mehr, während die anderen alle schreiben? Sie vergeuden Ihre ganze Zeit mit leerem Gerede. Wie kann man, wie darf man mit einem solchen Subjekt befreundet sein wie Ihrem unzertrennlichen Liputin?«
    »Aber warum denn mein und unzertrennlich ?« protestierte Stepan Trofimowitsch schüchtern.
    »Wo ist er jetzt?« fuhr Warwara Petrowna scharf und streng fort.
    »Er … Er verehrt Sie grenzenlos und hält sich jetzt in S … auf, um die Hinterlassenschaft seiner Mutter in Empfang zu nehmen.«
    »Er scheint überhaupt nichts anderes zu tun, als Geld einzustreichen. Und Schatow? Immer noch unverändert?«
    » Irascible, mais bon .«
    »Ihren Schatow kann ich nicht ausstehen; er ist bösartig und eingebildet!«
    »Wie geht es Darja Pawlowna?«
    »Sie meinen Dascha? Wie kommen Sie darauf?« Warwara Petrowna sah ihn forschend an. »Sie ist gesund, ich habe sie bei den Drosdows gelassen … In der Schweiz ist mir einiges über Ihren Sohn zu Ohren gekommen. Schlechtes, nichts Gutes.«
    » Oh, c’est une histoire bien bête! Je vous attendais, ma bonne amie, pour vous raconter  …«
    »Genug, Stepan Trofimowitsch. Gönnen Sie mir doch ein wenig Ruhe. Ich bin erschöpft. Wir werden noch genügend Zeit haben, miteinander zu sprechen, vor allem über das Schlechte. Sie sabbern ja beim Lachen, das ist ja schon senil. Und Sie haben sich auch ein seltsames Lachen angewöhnt … Mein Gott, wie viele üble Gewohnheiten haben Sie sich zugelegt! Karmasinow wird Sie nicht besuchen! Und hier freut man sich auch so schon auf alles, was …
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