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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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endgültig niederzulassen. In der Stadt besaß sie ein großes Haus, das schon seit Jahren leerstand, mit vernagelten Fenstern. Die Familie war sehr reich. Praskowja Iwanowna, in erster Ehe Frau Tuschina, war gleich ihrer Pensionatsfreundin Warwara Petrowna die Tochter eines Branntweinpächters der guten alten Zeit und hatte gleichfalls eine große Mitgift mit in die Ehe gebracht. Rittmeister a. D. Tuschin war auch ein vermögender und nicht unfähiger Mann gewesen. Sterbend hinterließ er seiner siebenjährigen Tochter Lisa ein ansehnliches Kapital. Jetzt, da Lisaweta Nikolajewna fast zweiundzwanzig war, durfte sich ihr eigenes Vermögen ohne weiteres auf zweihunderttausend Rubel belaufen, abgesehen von dem künftigen Erbe seitens der Mutter, die in der zweiten Ehe kinderlos geblieben war. Warwara Petrowna schien mit ihrer Reise sehr zufrieden zu sein. Ihrer Meinung nach war es ihr gelungen, mit Praskowja Iwanowna befriedigende Abmachungen zu treffen, wovon sie sogleich nach ihrer Ankunft Stepan Trofimowitsch unterrichtete; sie zeigte sich ihm gegenüber sogar recht expansiv, was schon lange nicht mehr vorgekommen war.
    »Hurra!« rief Stepan Trofimowitsch und schnippte mit den Fingern.
    Er war voller Begeisterung; um so mehr, da er die Zeit der Trennung von seiner Freundin in tiefster Niedergeschlagenheit verbracht hatte. Bei der Abreise ins Ausland hatte sie sich sogar nicht einmal richtig von ihm verabschiedet und »diesem alten Weibe« nichts über ihre Pläne erzählt, vielleicht weil sie befürchtete, er könne etwas ausplaudern. Damals hatte sie sich über ihn wegen einer beträchtlichen Spielschuld geärgert, die gänzlich überraschend zutage gekommen war. Aber schon in der Schweiz hatte sich in ihrem Herzen das Gefühl geregt, daß sie den verlassenen Freund nach ihrer Rückkehr entschädigen müsse, um so mehr, da sie ihn schon seit längerem streng behandelt hatte. Die rasche und geheimnisvolle Trennung hatte Stepan Trofimowitschs furchtsames Herz getroffen und verwundet, und ausgerechnet zur selben Zeit bedrängten ihn auch noch andere Sorgen. Ihn quälte eine nicht unerhebliche, schon lange bestehende pekuniäre Verpflichtung, die ohne Warwara Petrownas Hilfe unter keinen Umständen hätte eingelöst werden können. Außerdem war im Mai dieses Jahres die Ära unseres guten, weichherzigen Iwan Ossipowitsch endlich zu Ende gegangen; er wurde abgelöst, und sogar unter peinlichen Umständen. Darauf war, ebenfalls noch in Warwara Petrownas Abwesenheit, der Einzug unseres neuen Gouverneurs, Andrej Antonowitsch von Lembke, erfolgt; dies bewirkte augenblicklich einen empfindlichen Wandel in dem Verhalten fast unserer ganzen Gesellschaft gegenüber Warwara Petrowna und also auch gegenüber Stepan Trofimowitsch. Auf jeden Fall hatte er Gelegenheit gehabt, einige unangenehme, wiewohl unschätzbare Beobachtungen zu sammeln, und mußte einsam und allein, wie er war ohne Warwara Petrowna, manchen Schrecken ausstehen. In seiner Aufregung argwöhnte er, daß er bei dem neuen Gouverneur bereits als gefährliches Subjekt denunziert worden wäre. Er hatte definitiv in Erfahrung gebracht, daß einige unserer Damen ihre Besuche bei Warwara Petrowna einzustellen beabsichtigten. Über die neue Gouverneurin (die erst im Herbst bei uns erwartet wurde) hörte man immer wieder, daß sie allem Vernehmen nach sehr hochnäsig, dafür aber von echtem Adel sei, anders als »unsere unglückselige Warwara Petrowna«. Alle wußten aus sicherer Quelle und mit Details, daß die neue Gouverneurin und Warwara Petrowna sich schon früher einmal in der großen Welt getroffen und feindselig wieder getrennt hätten, so daß die bloße Erwähnung der Frau von Lembke bei Warwara Petrowna schmerzliche Empfindungen verursache. Warwara Petrownas beherzte und siegesbewußte Miene, die Geringschätzung und der Gleichmut, mit denen sie den Bericht über die Äußerungen unserer Damen und den Aufruhr in der Gesellschaft anhörte, erweckten den niedergeschlagenen Geist des eingeschüchterten Stepan Trofimowitsch wieder zum Leben und stimmten ihn augenblicklich heiter. Mit besonderem, freudig-willfährigem Humor schickte er sich an, ihr den Einzug des neuen Gouverneurs zu schildern.
    »Es wird Ihnen, excellente amie, zweifellos bekannt sein«, sprach er, indem er die Worte kokett und auf Wirkung bedacht in die Länge zog, »was ein russischer Administrator im allgemeinen und ein frischgebackener russischer Administrator im besonderen, daß heißt ein
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