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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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daß er spielte oder trank; man sprach nur von einer irgendwie wilden Zügellosigkeit, von Menschen, die er mit seinen Trabern zu Tode gebracht hätte, von der Brutalität gegenüber einer Dame der besten Gesellschaft, mit der er ein Verhältnis gehabt und die er dann öffentlich beleidigt haben sollte. Etwas sogar allzu unverblümt Schmutziges war an dieser Geschichte. Es wurde noch hinzugefügt, er sei so etwas wie ein Bretteur , suche Händel und beleidige aus purer Lust an der Beleidigung. Warwara Petrowna geriet in Aufregung und grämte sich. Stepan Trofimowitsch versicherte ihr, es handle sich nur um die ersten ungestümen Äußerungen einer überaus reichen Natur, die Wogen würden sich glätten und dies alles erinnere an die Jugend des Prinzen Harry und seine Tollheiten mit Falstaff, Poins und Mrs. Quickly bei Shakespeare. Diesmal schnitt Warwara Petrowna ihm nicht mit »dummes Zeug, dummes Zeug!« das Wort ab, wie sie sich in letzter Zeit angewöhnt hatte, Stepan Trofimowitsch anzufahren, sondern hörte ihm im Gegenteil aufmerksam zu, ließ sich alles genauer erklären, nahm selbst den Shakespeare zur Hand und las die unsterbliche Chronik mit größter Aufmerksamkeit durch. Aber die Chronik beruhigte sie mitnichten, zumal sie darin keine sonderlichen Ähnlichkeiten entdecken konnte. Fiebernd vor Ungeduld, erwartete sie die Antwort auf mehrere ihrer Briefe. Die Antwort ließ nicht auf sich warten; bald traf die verhängnisvolle Nachricht ein, daß Prinz Harry sich fast gleichzeitig zweimal duelliert habe, beide Male der allein Schuldige gewesen sei, einen seiner Gegner auf der Stelle getötet, den anderen zum Krüppel geschossen und infolge dieser Vergehen ein Gerichtsverfahren zu gewärtigen habe. Am Ende wurde er degradiert und nach Aberkennung aller Rechte als Gemeiner in ein Infanterieregiment versetzt, und auch dies nur als besondere Gnade.
    Im Jahr dreiundsechzig gelang es ihm einmal, sich auszuzeichnen; er erhielt das Tapferkeitskreuz, wurde zum Unteroffizier befördert und irgendwie allzu schnell auch zum Offizier. Während dieser Zeit hatte Warwara Petrowna wohl an die hundert Briefe mit Gesuchen und flehentlichen Bitten in die Hauptstadt gesandt. Sie hatte sich sogar gestattet, in diesem außerordentlichen Fall manche Demütigung hinzunehmen. Nach seiner Beförderung hatte der junge Mann plötzlich den Abschied eingereicht, kam aber wieder nicht nach Skworeschniki und hörte überhaupt auf, an seine Mutter zu schreiben. Schließlich erfuhr man auf Umwegen, daß er sich wieder in Petersburg befinde, aber in den früheren Kreisen überhaupt nicht mehr verkehre; es schien, als wäre er irgendwie untergetaucht. Man forschte nach und erfuhr, daß er in befremdlicher Gesellschaft lebe, sich mit dem Abschaum der Petersburger Bevölkerung eingelassen habe, mit irgendwelchen heruntergekommenen Beamten, verabschiedeten Militärs, die sich mit Anstand durchbettelten, Trunkenbolden, daß er in ihren schmutzigen Familien verkehre, Tag und Nacht in obskuren Spelunken und in Gott weiß welchen Winkeln verbringe, daß er verwahrlost und abgerissen sei und offenbar daran Gefallen finde. Um Geld bat er seine Mutter nie. Er besaß ein eigenes kleines Gut, das ehemalige Dörfchen des Generals Stawrogin, das zwar wenig, aber immerhin etwas einbrachte und das er, Gerüchten zufolge, an einen Deutschen aus Sachsen verpachtet hatte. Schließlich gelang es seiner Mutter, ihn durch inständiges Bitten zu einem Besuch bei ihr zu bewegen, und Prinz Harry erschien in unserer Stadt. Das war das erste Mal, daß ich ihn in Augenschein nehmen konnte, bis dahin hatte ich ihn noch nie gesehen.
    Er war ein sehr schöner junger Mann von etwa fünfundzwanzig Jahren, und, wie ich zugeben muß, er überraschte mich. Ich hatte einen schmutzigen Landstreicher erwartet, infolge seines lasterhaften Lebenswandels verfallen und nach Wodka riechend. Ganz im Gegenteil, er war der eleganteste Gentleman, der mir je vor Augen gekommen ist, vorzüglich gekleidet und mit einer Haltung, wie sie nur ein an feinsten Anstand gewöhnter Herr zeigen kann. Ich war nicht der einzige, der erstaunt war: Es staunte die ganze Stadt, die natürlich über Herrn Stawrogins ganze Biographie bereits unterrichtet war, sogar über Einzelheiten, von denen man sich kaum vorstellen konnte, wie sie an die Öffentlichkeit hatten gelangen können und die sich zur Hälfte, das war wohl das Erstaunlichste, als wahr erweisen sollten. Alle unsere Damen waren von dem neuen Gast
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