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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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offenbar vor ihm und schien ihm sklavisch ergeben zu sein. Es fiel auf, daß sie sich vor etwas Unbestimmtem, Geheimnisvollem fürchtete, vor etwas, was sie selbst nicht auszudrücken vermochte und Nicolas manches Mal verstohlen und aufmerksam betrachtete, als überlege sie und suche etwas zu erraten … und da – da streckte das Raubtier plötzlich seine Krallen aus.
    II
    PLÖTZLICH, aus heiterem Himmel, erlaubte sich unser Prinz zwei oder drei unglaubliche Frechheiten gegenüber einigen Personen, das heißt, die Hauptsache bestand eben darin, daß diese Frechheiten ganz und gar unerhört, vollkommen unvergleichbar, ganz und gar anders waren als alles übliche dieser Art, ganz und gar abscheulich und bubenhaft, weiß der Teufel wozu und ohne jeden Anlaß. Eines der achtbarsten Vorstandsmitglieder unseres Clubs, Pjotr Pawlowitsch Gaganow , ein bejahrter und sogar verdienstvoller Mann, hatte die unschuldige Gewohnheit, nach jedem Satz heftig hinzuzufügen: »Nein, mein Herr, ich lasse mich nicht an der Nase herumführen!« Bitte schön, warum nicht. Aber als er einmal im Club bei einem angeregten Gespräch diesen Aphorismus inmitten der ihn umgebenden Gruppe von Clubgästen (lauter nicht gerade unbedeutende Persönlichkeiten) anbrachte, trat Nikolaj Wsewolodowitsch, der allein abseits gestanden und sich überhaupt nicht an dem Gespräch beteiligt hatte, plötzlich auf Pjotr Pawlowitsch zu, packte ihn unerwartet, aber kräftig mit zwei Fingern an der Nase und zog ihn zwei oder drei Schritte hinter sich her durch den Saal. Er konnte keinerlei Groll gegen Herrn Gaganow hegen. Man hätte dies für einen reinen Schulbubenstreich halten können, selbstverständlich für einen unverzeihlichen, später jedoch wurde erzählt, daß er im Augenblick der Tat fast nachdenklich gewirkt habe, »ganz genau so, als hätte er den Verstand verloren«; allerdings war es eine ziemliche Weile später, daß man sich daran erinnerte und alles erwog. In der ersten Erregung jedoch erinnerten sich alle zunächst nur an den zweiten Augenblick, als er bereits höchstwahrscheinlich begriff, was wirklich geschehen war, und nicht nur nicht die geringste Verlegenheit zeigte, sondern im Gegenteil »ohne das leiseste Zeichen von Reue« boshaft und belustigt lächelte. Es erhob sich ein schrecklicher Lärm; er wurde umringt. Nikolaj Wsewolodowitsch drehte sich und sah sich im Kreise um, ohne eine Antwort zu geben, und betrachtete interessiert die durcheinanderrufenden Menschen. Endlich wurde er unvermittelt nachdenklich wie vorher – so wurde wenigstens erzählt –, runzelte plötzlich die Brauen, ging festen Schritts auf den beleidigten Pjotr Pawlowitsch zu und murmelte sehr schnell und sichtlich verdrossen:
    »Natürlich, entschuldigen Sie … Ich weiß wirklich nicht, wieso ich plötzlich den Wunsch hatte … eine Dummheit …«
    Die Nachlässigkeit seiner Entschuldigung kam einer neuen Beleidigung gleich. Das Geschrei wurde lauter. Nikolaj Wsewolodowitsch zuckte mit den Achseln und ging hinaus.
    Das war alles sehr dumm, um nicht zu sagen, ein Unfug – ein wohlüberlegter und vorsätzlicher Unfug, wie es auf den ersten Blick schien, und somit eine wohlüberlegte, im höchsten Grade dreiste Herausforderung unserer ganzen Gesellschaft. So wurde die Angelegenheit denn auch allgemein aufgefaßt. Als erstes wurde Herr Stawrogin umgehend und einstimmig aus dem Club ausgeschlossen; darauf beschloß man, im Namen sämtlicher Clubmitglieder, sich an den Gouverneur zu wenden und ihn zu ersuchen (umgehend, noch vor der Eröffnung des formalen Gerichtsverfahrens), dem gefährlichen Unruhestifter und »Bretteur aus der Metropole mit den Mitteln seiner administrativen Vollmachten Zügel anzulegen und damit die Ruhe des gesamten wohlanständigen Kreises unserer Stadt vor gefährlichen Übergriffen zu schützen«. Boshaft und scheinheilig wurde hinzugefügt, daß »vielleicht auch auf einen Herrn Stawrogin das Gesetz anwendbar« sei. Gerade mit diesem Satz wollte man dem Gouverneur wegen Warwara Petrowna einen Stich versetzen. Das Ganze wurde genüßlich breitgetreten. Es traf sich, daß der Gouverneur damals abwesend war; er war verreist, um in der Nähe das Kind einer interessanten, kürzlich verwitweten Dame aus der Taufe zu heben, deren verstorbener Gemahl sie in anderen Umständen zurückgelassen hatte; aber man wußte, daß er bald zurückkehren würde. In der Zwischenzeit bereitete man dem achtbaren beleidigten Pjotr Pawlowitsch wahre Ovationen:
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