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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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haben; jetzt aber möchte ich der Kuriosität halber anmerken, daß von allen Eindrücken, die er während der ganzen in unserer Stadt verbrachten Zeit empfing, seinem Gedächtnis sich am schärfsten die unansehnliche und fast gemeine Erscheinung eines subalternen Gouvernementsbeamten eingeprägt hat, eines eifersüchtigen Ehegatten und despotischen Hausvaters, eines Geizhalses und Wucherers, der nach dem Essen die Reste und Kerzenstummel wegschloß, aber gleichzeitig eines fanatischen Sektierers im Namen Gott weiß welcher künftigen »sozialen Harmonie«, der sich nächstens an phantastischen Bildern der künftigen Phalanstère berauschte, an deren unmittelbar bevorstehender Verwirklichung in Rußland und besonders in unserm Gouvernement er wie an seine eigene Existenz glaubte. Und dies ausgerechnet dort, wo er sich ein eigenes »Hüttchen« zusammengespart, wo er sich zum zweiten Mal verheiratet und eine ordentliche Mitgift kassiert hatte, wo es wahrscheinlich auf hundert Werst im Umkreis keinen Menschen gab, ihn eingeschlossen, der auch nur dem Schein nach dem künftigen Bürger der »sozialen, allmenschlichen Weltrepublik und Harmonie« geglichen hätte.
    »Gott allein mag wissen, wie solche Menschen zustande kommen«, dachte Nicolas voller Staunen, wenn er sich hin und wieder an den unverhofften Fourieristen erinnerte.
    IV
    UNSER Prinz war über drei Jahre auf Reisen, so daß man ihn in der Stadt beinahe vergaß. Wir jedoch wußten durch Stepan Trofimowitsch, daß er ganz Europa bereist, sich sogar in Ägypten aufgehalten und Jerusalem besucht hatte; dann war es ihm gelungen, sich irgendwo einer Forschungsexpedition nach Island anzuschließen, und er war wirklich in Island gewesen. Es hieß auch, er habe einen Winter lang Vorlesungen an einer deutschen Universität gehört. Seiner Mutter schrieb er nur selten – alle halbe Jahre einmal oder sogar noch seltener; aber Warwara Petrowna nahm ihm das nicht übel und fühlte sich nicht gekränkt. Die Beziehungen zu ihrem Sohn, wie sie nun einmal waren, akzeptierte sie ergeben und ohne Groll, sie sehnte sich nach ihrem Nicolas und schwelgte unaufhörlich in Zukunftsträumen. Ihre Träume und ihre Klagen vertraute sie keinem an. Sogar von Stepan Trofimowitsch zog sie sich allem Anschein nach ein wenig zurück. Sie schmiedete im stillen gewisse Pläne und wurde, glaube ich, noch sparsamer als vorher, knauserte und ärgerte sich immer mehr über Stepan Trofimowitschs Verluste beim Kartenspiel.
    Schließlich, im April dieses Jahres, erhielt sie einen Brief aus Paris, und zwar von der Generalin Praskowja Iwanowna Drosdowa, einer Jugendfreundin. In ihrem Brief ließ Praskowja Iwanowna – mit der Warwara Petrowna seit gut acht Jahren sich nicht mehr getroffen und nicht mehr korrespondiert hatte – wissen, daß Nikolaj Wsewolodowitsch in ihrem Haus ein gern gesehener Gast sei, mit Lisa (ihrer einzigen Tochter) Freundschaft geschlossen und die Absicht habe, sie im Sommer in die Schweiz nach Vernex-Montreux zu begleiten, obwohl er in dem Haus des Grafen K … (einer in Petersburg einflußreichen Persönlichkeit), der sich im Augenblick in Paris aufhalte, wie ein eigener Sohn behandelt werde, dergestalt, daß er beinahe in die Familie aufgenommen sei. Der Brief war kurz und ließ seinen Zweck deutlich erkennen, obgleich er außer den aufgezählten Tatsachen keinerlei Folgerungen enthielt. Warwara Petrowna überlegte nicht lange. Ihr Entschluß stand augenblicklich fest, sie traf die nötigen Vorbereitungen und reiste, begleitet von ihrer Pflegetochter Dascha (Schatows Schwester), nach Paris und anschließend in die Schweiz. Sie kehrte im Juli zurück, und zwar allein, denn Dascha hatte sie bei Drosdows zurückgelassen. Die Drosdows wiederum beabsichtigten, laut einer von ihr mitgebrachten Nachricht, Ende August bei uns einzutreffen.
    Die Besitzungen der Drosdows lagen ebenfalls in unserm Gouvernement, aber der Dienst des Generals Iwan Iwanowitsch (eines alten Freundes von Warwara Petrowna und Kameraden ihres Gatten) hatte sie immer wieder daran gehindert, ihr prächtiges Gut zu besuchen. Nach dem Tode des Generals im vergangenen Jahr hatte sich die untröstliche Praskowja Iwanowna mit ihrer Tochter ins Ausland begeben, unter anderem auch mit der Absicht, sich einer Traubenkur zu unterziehen, wobei sie sich für Vernex-Montreux und die zweite Hälfte des Sommers entschieden hatte. Nach der Rückkehr in das Vaterland beabsichtigte sie, sich in unserem Gouvernement
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