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Body Farm

Body Farm

Titel: Body Farm
Autoren: Patricia Cornwell
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Frage?« Ich wußte natürlich, was sie hören wollte, und war wieder einmal furchtbar hin und her gerissen.
    »Ich möchte nur wissen, wie du darüber denkst.«
    »Du weißt, daß es einen Einstellungsstop gibt.«
    Lucy sah mich scharf an, um an meinem Gesicht abzulesen, was ich ihr nicht sagen wollte. »Ich kann ohnehin nicht direkt nach dem Collegeabschluß Agentin werden«, sagte sie. »Es geht darum, jetzt in der ERF unterzukommen, vielleicht über eine Ausbildungsbeihilfe. Was ich danach mache« - sie zuckte mit den Schultern - »wer weiß?«
    Die ERF, die Engineering Research Facility, war die kürzlich eingerichtete Abteilung des FBI für technische Forschung. Sie war in einem schmucklosen Komplex auf dem Gelände der Academy untergebracht. Die Arbeit dort unterlag der Geheimhaltungspflicht, und es kränkte mich ein bißchen, daß ich als amtliche Leichenbeschauerin des Staates Virginia und beratende Gerichtsmedizinerin beim Investigative Support Unit des FBI nie Zutritt zu Bereichen erhalten hatte, in denen meine junge Nichte täglich ein und aus ging.
    Lucy streifte ihre Joggingschuhe und Shorts ab und zog sich Hemd und Sport-BH über den Kopf.
    »Wir sprechen später noch über dieses Thema«, sagte ich, während ich aus der Duschkabine trat und Lucy hineinging.
    »Autsch!« rief sie, als Wasser über ihre Verletzungen lief.
    »Nimm reichlich Seife und Wasser. Wie ist das mit deiner Hand passiert?«
    »Ich bin eine Böschung runtergerutscht und in der Umzäunung hängengeblieben.«
    »Wir sollten lieber etwas Alkohol drauftun.«
    »Kommt nicht in Frage.«
    »Wann geht dein ERF-Praktikum zu Ende?«
    »Ich weiß nicht. Kommt darauf an.«
    »Wir treffen uns noch einmal, bevor ich nach Richmond zurückfahre«, versprach ich, ging in den Umkleideraum zurück und fönte mir das Haar.
    Kaum eine Minute später kam Lucy hinter mir hergetrottet. Prüderie war für sie ein Fremdwort; sie war nackt bis auf die Breitling-Uhr, die ich ihr zum Geburtstag geschenkt hatte.
    »Mist!« sagte sie leise, während sie sich anzog. »Du wirst nicht glauben, was ich heute alles zu tun habe. Die Festplatte neu einteilen, das ganze Ding neu laden, weil mir der Platz ausgeht, Speicherplatz anfordern, einen ganzen Haufen Dateien austauschen. Ich hoffe nur, daß die Probleme mit der Hardware vorbei sind.«
    Überzeugend klangen ihre Klagen gerade nicht. Lucy liebte jeden Tag und jede Minute ihrer Arbeit.
    »Draußen beim Joggen bin ich Marino begegnet. Er ist diese Woche hier«, sagte ich.
    »Frag ihn, ob er Schießübungen machen will.« Sie schleuderte ihre Laufschuhe in den Spind und warf die Tür mit einem begeisterten Knall zu.
    »Ich habe das Gefühl, davon wird er jede Menge machen«, rief ich ihr nach, als noch ein halbes Dutzend schwarz gekleideter Drogenagentinnen zur Tür hereinkam. »Guten Morgen, Ma'am.« Als sie ihre Stiefel auszogen, schnellten die Schnürsenkel gegen das Leder.
    Bis ich fertig angezogen war und die Trainingstasche in mein Zimmer gebracht hatte, war es Viertel nach neun. Ich war spät dran.
    Erst ging es durch zwei Sicherheitstüren drei Treppen abwärts. Im Waffenreinigungsraum nahm ich den Aufzug, der mich ins zwanzig Meter tiefer gelegene Untergeschoß der Academy brachte. Hier begann für mich jeden Tag von neuem der reinste Spießrutenlauf, aber an die Glotzerei hatte ich mich längst gewöhnt. Am langen Eichentisch des Konferenzraums saßen neun Kriminalbeamte, mehrere FBI-Profiler - sie erstellen Persönlichkeitsprofile von Verbrechern - und ein Fachmann des VICAP. Während das Gespräch nach einer kurzen Unterbrechung weiterlief, zog ich mir neben Marino einen Stuhl heran und setzte mich.
    »Dieser Kerl kennt sich in forensischer Beweisführung verdammt gut aus.«
    »Das tut jeder, der im Knast war.«
    »Wichtig hierbei ist die Tatsache, daß er sich mit diesem Verhalten äußerst wohl fühlt.«
    »Mir drängt sich da der Gedanke auf, daß er in Wirklichkeit nie gesessen hat.«
    Ich legte meine Unterlagen zu dem übrigen Fallmaterial, das im Raum die Runde machte, und flüsterte einem der Profiler zu, ich brauchte eine Fotokopie von Emily Steiners Tagebuch.
    »Also, da bin ich anderer Meinung«, sagte Marino. »Die Tatsache, daß jemand im Knast war, bedeutet nicht, daß er Angst hat, wieder hineinzuwandern.«
    »Die meisten Menschen hätten Angst davor - denken Sie an die Redensart vom gebrannten Kind, das das Feuer scheut.«
    »Gault ist nicht wie die meisten Menschen. Er liebt das
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