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Body Farm

Body Farm

Titel: Body Farm
Autoren: Patricia Cornwell
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Spur. Der Staat bezahlt mich dafür, daß ich genau hinsehe. Um das mal zu Protokoll zu geben« - er sah in die Runde - »die Bundesbehörde bezahlt mich nicht dafür, daß ich Mist liefere.«
    »Niemand sollte für Ihren Mist zahlen, es sei denn, Sie essen vorher Gold«, sagte Marino.
    Ferguson zog ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche. »Hat jemand etwas dagegen, wenn ich rauche?«
    »Ich.«
    »Ich auch.«
    »Kay.« Wesley schob einen dicken braunen Umschlag in meine Richtung. »Der Autopsiebericht und noch ein paar Fotos.«
    » Laserdrucke?« fragte ich. Darauf war ich nämlich gar nicht scharf, weil sie ähnlich wie gerasterte Autotypien nur auf die Entfernung etwas brachten.
    »Nein, echte Ware.«
    »Gut.«
    »Wir suchen doch nach Tätermerkmalen und -strategien, nicht?« Wesley sah in die Runde. Einige nickten. »Und wir haben einen leibhaftigen Verdächtigen. Das heißt, ich nehme an, daß wir das annehmen.«
    »Für mich keine Frage«, sagte Marino.
    »Erst der Tatort, dann die Viktimologie«, fuhr Wesley fort und vertiefte sich in seine Papiere. »Und am besten lassen wir die Namen von bekannten Verbrechern im Moment mal außen vor.« Er sah uns über seine Lesebrille hinweg der Reihe nach an. »Gibt es eine Karte?«
    Ferguson verteilte Fotokopien. »Das Haus des Opfers und die Kirche sind markiert. Und auch der Weg, den Emily unserer Meinung nach um den See genommen hat, als sie nach der Gruppenstunde von der Kirche nach Hause ging.«
    Mit ihrer kleinen, zerbrechlichen Gestalt und ihrem schmalen Gesichtchen hätte man Emily Steiner für acht oder neun halten können. Auf dem neuesten Klassenfoto vom vergangenen Frühjahr hatte sie einen leuchtendgrünen, geknöpften Pullover an. Ihr flachsblondes Haar war seitlich gescheitelt und wurde von einer Spange in Form eines Papageien gehalten.
    Soweit bekannt, waren sonst keine Fotos mehr von ihr gemacht worden - bis zu jenem klaren Morgen des 7. Oktober, einem Samstag, als ein alter Mann zum Lake Tomahawk kam und ein wenig angeln wollte. Als er seinen Klappstuhl auf dem feuchten Boden des Ufers aufstellen wollte, bemerkte er eine kleine pinkfarbene Socke im nahen Gebüsch. Er sah, daß in der Socke ein Fuß steckte.
    »Wir folgten diesem Weg hier«, sagte Ferguson, der jetzt Dias vorführte und mit dem Schatten seines Kugelschreibers auf die Leinwand wies, »und da fanden wir die Leiche.«
    »Wie ist die Entfernung zur Kirche und zu ihrem Haus?«
    »Jeweils etwa eine Meile auf der Straße. Luftlinie etwas weniger.«
    »Und der Weg am See entlang entspricht der Luftlinie?«
    »Ziemlich genau.«
    Ferguson fuhr fort. »Sie liegt mit dem Kopf in nördlicher Richtung. Die Socke am linken Fuß ist halb ausgezogen, die am rechten nicht. Wir haben eine Uhr gefunden und eine Halskette. Als sie entführt wurde, trug sie einen Schlafanzug aus blauem Flanell und einen Slip. Beide sind bis heute nicht gefunden worden. Hier ist eine Nahaufnahme der Schädelverletzung am Hinterkopf.« Der Schatten des Kugelschreibers fuhr weiter. Gedämpfte Schüsse drangen durch die dicken Wände; über uns lag der Schießstand.
    Emily Steiners Leiche war nackt. Nach der eingehenden Untersuchung des Leichenbeschauers von Buncombe County stand fest, daß sie sexuell mißbraucht worden war. An der Innenseite der Oberschenkel hatte sie große, dunkel glänzende Flecken, im oberen Brustbereich und an den Schultern fehlten an einigen Stellen Fleischstücke. Wie ihre Mutter, war sie geknebelt und mit einem grell orangefarbenen Gewebeband gefesselt gewesen. Zu ihrem Tod hatte eine einzige kleinkalibrige Kugel geführt, die ihr in den Hinterkopf gedrungen war.
    Ferguson zeigte ein Dia nach dem anderen. Als er die Bilder vom bleichen Körper des Mädchens im Binsendickicht auf die Leinwand warf, sprach keiner ein Wort. Ich kenne nicht einen Ermittler, der sich je an den Anblick von verstümmelten und ermordeten Kindern gewöhnt hätte.
    »Ist uns die Wetterlage vom 1. bis 7. Oktober in Black Mountain bekannt?« fragte ich.
    »Bedeckt. Nachts unter vier Grad, tagsüber gute zehn«, antwortete Ferguson. »Im großen und ganzen.«
    »Im großen und ganzen?« Ich sah ihn an.
    »Im Durchschnitt«, sagte er betont, während das Licht wieder anging. »Sie wissen ja, man addiert die Temperaturen und teilt sie durch die Zahl der Tage.«
    »Gab es irgendwelche deutlichen Schwankungen, Agent Ferguson?« fragte ich mit einem Gleichmut, der ganz und gar nicht meinem zunehmenden Mißbehagen diesem Mann gegenüber
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