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Body Farm

Body Farm

Titel: Body Farm
Autoren: Patricia Cornwell
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Emily, das nur für seinen Vater und einen Jungen namens Wren lebte. Doch als Gault sich vor zwei Jahren auf seine mörderische Tour in Richmond gemacht hatte, schien die Wahl seiner Opfer ebenso unverständlich. Sie bleibt bis heute unbegreiflich.
    Obwohl ich aus meiner Wohnung in einen sonnendurchfluteten Gang hinaustrat, schien mir der Gedanke an Gaults blutige Karriere in Richmond den Morgen zu verdüstern. Einmal hätten wir ihn fast erwischt, einen Augenblick lang war er zum Greifen nah. Doch dann floh er durch ein Fenster und verschwand. Damals hatte ich keine Waffe bei mir. Es war auch gar nicht meine Aufgabe, durch die Gegend zu rennen und auf Leute zu schießen. Doch ich konnte die Selbstzweifel, die mich seitdem erfüllten, einfach nicht abschütteln. Immer wieder stellte ich mir die Frage, was ich noch hätte tun können.
    Der Wein in der Academy war noch nie ein guter Jahrgang gewesen, und ich bedauerte, am Abend zuvor im Boardroom ein paar Gläser davon getrunken zu haben. Mein Morgenlauf auf der J. Edgar Hoover Road fiel mir schwerer als sonst.
    Oh Gott, dachte ich. Das schaffe ich nie. Am Straßenrand stellten Marines Segeltuchstühle in Tarnfarben auf und beobachteten die Umgebung mit Fernrohren. Ich spürte ihre unverschämten Blicke, als ich langsam an ihnen vorbeijoggte, wußte aber, daß sie das goldene Department-of-Justice-Wappen auf meinem Ringel-T-Shirt sehr wohl zur Kenntnis nahmen. Wahrscheinlich hielten die Soldaten mich für eine Agentin oder für eine hospitierende Polizistin und ließen mich deshalb in Ruhe, aber die Vorstellung, daß meine Nichte genau dieselbe Strecke lief, gefiel mir ganz und gar nicht. Mir wäre lieber gewesen, wenn Lucy ihr Praktikum anderswo absolviert hätte. Sicher hatte ich bei dieser Entscheidung keinen geringen Einfluß auf sie gehabt, wie überhaupt auf ihr ganzes Leben, aber das war es ja, was mich so sehr beunruhigte, wie kaum etwas anderes. Mich um sie zu sorgen, war mir gerade beim Konditionstraining zur Gewohnheit geworden, wenn meine Kräfte nachließen und ich spürte, daß ich älter wurde.
    Gerade rückte das HRT, das Hostage Rescue Team, zum Manöver aus, eine Spezialtruppe des FBI für die Befreiung von Geiseln. Die Rotorblätter der Hubschrauber zerschnitten träge die Luft. Ein Pickup-Truck röhrte mit einer Ladung beim Schußtraining durchlöcherter Türen vorbei. Ihm folgte ein Zug Soldaten. Ich wendete und machte mich auf den anderthalb Meilen langen Weg zurück zur Academy, einem Gebäude, das man durchaus auch für ein modernes Backsteinhotel hätte halten können, wenn nicht die vielen Antennen auf dem Dach und auch sein Standort mitten in einem waldigen Niemandsland gewesen wären.
    Schließlich erreichte ich das Wachhäuschen, wich den Zacken der Durchfahrtssperre aus und hob die Hand zu einem müden Gruß an den Wachhabenden hinter der Glasscheibe. Außer Atem und verschwitzt wie ich war, überlegte ich gerade, ob ich den Rest des Weges zu Fuß zurücklegen sollte, als ich spürte, wie hinter mir ein Wagen abbremste.
    »Haben Sie vor, sich umzubringen oder so was Ähnliches?« hörte ich die laute Stimme von Captain Pete Marino. Er saß in seinem silbernen Crown Victoria, die Funkantennen schwangen auf und ab wie Angelruten, und trotz zahlloser Vorträge meinerseits zu diesem Thema, war er wieder mal nicht angeschnallt.
    »Das kann man einfacher haben«, rief ich ihm durch das offene Beifahrerfenster zu. »Zum Beispiel, indem man ohne Sicherheitsgurt fährt.«
    »Man weiß ja nie, wann man mal schnell rausspringen muß.«
    »Aus einem Wrack werden Sie kaum mal schnell rausspringen«, sagte ich, »es sei denn, durch die Windschutzscheibe.«
    Marino war ein erfahrenes Mitglied der Richmonder Mordkommission; Richmond war unser beider Hauptquartier. Er war kürzlich befördert und auf das Revier im schlimmsten Bezirk unserer Stadt versetzt worden. Er war Experte für Gewaltverbrechen und arbeitete schon seit Jahren für das VICAP, ein Forschungsprogramm des FBI zur Ergreifung von Gewaltverbrechern.
    Er war jetzt Anfang Fünfzig und eine einzige Anhäufung menschlicher Schwächen, vor allem in Form von ungesunder Ernährung und übermäßigem Alkoholkonsum. Sein Gesicht war von diesem harten Leben deutlich gezeichnet und umrahmt von sich lichtendem, grauem Haar. Marino hatte Übergewicht und war aus dem Leim gegangen; auch galt er nicht gerade als besonders liebenswürdig. Ich wußte, er kam zur Lagebesprechung des Falls Steiner, aber ich
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