Bodenrausch
Besitzern keinen Halt machten, rollt jetzt wieder eine Welle über den Mittleren Westen.
Shonda Warner sitzt in Jeans und T-Shirt auf ihrem Sofa. Ihr blondes Haar fällt leicht ins Gesicht. Sie erklärt, warum sie sich hier mitten auf dem Land niedergelassen hat. Sie sammelt Farmland für ihren Fonds, das Land von Farmern, die durch die Ritzen der Ökonomie gefallen sind, schnell verkaufen müssen und nicht über die Filetstücke des amerikanischen Farm Belt verfügen. Sie hat sich auf mittelmäßiges Land spezialisiert, Land, in dem noch Reserven stecken, wenn es richtig gedüngt und bearbeitet wird. Ihr Büro liegt über einem Gemischtwarenladen am Highway 61 in Clarksdale, Mississippi.
Sie kennt die große Finanzwelt von Goldman Sachs bis zur Londoner City, doch ihr Traum war es, zurück aufs Land zu gehen, wo die Traktoren ihre Runden ziehen und die Farmer mit ihren Utilities, ihren Kleinlastern, die Felder abfahren und nach dem Rechten sehen. Hier kauft sie Land für ihren Immobilienfonds. 30 Millionen Dollar hat sie investiert, das Geld kommt aus der Pensionskasse der Dow Chemical Company und von privaten Anlegern. Die Investoren können mit einer Verzinsung von 4 Prozent rechnen plus Wertsteigerung, denn die hat auch das amerikanische Farmland mittlerweile erreicht.
Shonda Warner, die Bauerntochter aus Nebraska, rechnet vor, was ihr Fonds bringen wird. Sie selbst nimmt 2 Prozent für die Verwaltung, für die Geldgeber sollten dann 13 bis 16 Prozent drin sein, eine Hälfte über die Ernten, die andere über die Wertsteigerung. Sie weiß, dass sie mit diesem Angebot die meisten Aktiendepots weit hinter sich lässt. 14
Shonda Warner profitiert von einer Krise, die die Farmer in den USA 1980 überfiel und seither nicht mehr losgelassen hat. Sie begann in den Farmstaaten Minnesota, Illinois, Iowa, in North und South Dakota. Am Anfang stand der Verfall der Preise auf dem Weltmarkt, sie setzte sich fort mit Dürrejahren und schließlich den verheerenden Folgen des Hurrikans Katrina im August 2005. Seither mussten 150000 US-Farmer ihre Farm aufgeben, obwohl der Staat ihnen schon 60 Prozent ihres Einkommens garantierte. Die Spirale des Niedergangs begann mit dem Farmland, es verlor dramatisch an Wert, das zog die Kreditlinie hinter sich her und führte schließlich in den Bankrott.
Wer überlebte, blieb angeschlagen. Jede Missernte oder Überschwemmung wie 2008 kann das Aus bedeuten. Auch die steigenden Boden- und Pachtpreise seit 2009 können die Wackelkandidaten nicht retten. Ein klappriger Maschinenpark und heruntergekommene Siloanlagen zeigen den Finanzinvestoren, wo ihr nächstes Opfer lebt. Wenn die Bank ihre Kreditlinie endgültig kündigt, dann greifen sie zu.
Die Übernahme des Landes durch das große Kapital spielt sich im Corn Belt der USA eher im Verborgenen ab. Bevor das Land zur Versteigerung kommt, ist es meist schon aufgekauft. Auch auf Kanadas Äckern spielen die Investoren eine immer wichtigere Rolle. Larry Spart pflügt seinen tiefgründigen Boden gern, denn er ist steinfrei und nach seiner Überzeugung der beste in ganz Kanada. Allerdings, ein Teil seiner Farm gehört nicht mehr ihm, sondern einem Investor, er hat das Land von ihm zurückgepachtet. Und er ist nicht der einzige Farmer in Saskatchewan, der plötzlich auf fremdem Grund und Boden ackert. Dabei ist es gar nicht so einfach, sich in kanadischen Boden einzukaufen; das Gesetz erlaubt für Ausländer nur 4 Hektar zum Erwerb. Das passt Tom Eisenhauer gar nicht. Er leitet die Investmentgesellschaft Bonnefield, bei ihm stehen ausländische Interessenten für kanadischen Boden Schlange, aber er kann ihnen nichts anbieten. Noch nicht, er hofft auf eine Lockerung der Zügel, schließlich darf in den Nachbarprovinzen Manitoba und Ontario jeder kaufen, so viel er will. 15 Aber meist liegen auch hier die Angebote noch im überschaubaren 1000-Hektar-Bereich.
Eine Größenordnung, die man in Südamerika mitleidig belächeln würde.
SÜDAMERIKA: BIG PLAYER BRASILIEN
In Argentinien hat der Agrarriese Cresud ein kleines Imperium von 20 Farmen mit über 340000 Hektar Acker und Weideland zusammengekauft. Platz genug für Sojabohnen, Sonnenblumen, Mais, Weizen und 95000 Rinder. Und groß genug, um direkt die Weltmarktpreise abzugreifen. 16
Cresud macht seine Geschäfte in einem Umfeld, das mit allen anderen Staaten, in denen der Run auf das Ackerland der Welt ausgetragen wird, vor allem eines gemeinsam hat: die Korruption. Sie überlagert
Weitere Kostenlose Bücher