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Bodenrausch

Bodenrausch

Titel: Bodenrausch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilfried Bommert
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die privaten wie die öffentlichen Beziehungen.
    Der größte Player Südamerikas, wenn auch nicht der korrupteste, heißt Brasilien.
    Brasilien besitzt den größten Teil des fruchtbaren Bodens der Welt und versteht sich als globaler Supermarkt und Tankstelle der Zukunft, vor allem für die USA. Seine Flächen sind schier unendlich, wenn auch nicht überall zu beackern. Die Grenzen bilden der Regenwald und die riesigen Savannen des Landes. Doch der Bodenrausch kennt keine Grenzen. Und so kommen auch Flächen unter den Pflug, die eigentlich nicht dafür geeignet sind.
    Ein Teil der Ländereien gehört zur Interessensphäre Europas, hier wachsen Futtermittel für Europas Rinderherden, Schweinefabriken, Hähnchenmastanlagen und Eierkonzerne. »Unsere Kühe weiden am Rio de la Plata«, mit dieser Anklage prangerten Umweltschützer schon vor 30 Jahren die steigenden Futterimporte der deutschen Landwirtschaft aus Südamerika an, doch vergebens. Die Futterflächen Europas in Südamerika betragen heute umgerechnet 35 Millionen Hektar, das entspricht fast dem Dreifachen der deutschen Ackerfläche.
    Nun kommen neue Interessenten hinzu, Konkurrenten um Boden und Wasser. Eine der wichtigsten Einfallstraßen ins Eldorado Südamerikas ist die Transamazônica BR 163.
    Die BR 163 gehört zu den Entwicklungsachsen Brasiliens und wurde noch zu Zeiten der Militärregierung 1971 bis 1973 geplant und gebaut. Sie schiebt sich von Cuiabá im Bundesstaat Mato Grosso durch Amazonien bis nach Santarém im Bundesstaat Pará zum Amazonas, der das Land mit der Welt verbindet.
    Lastwagen quälen sich über die rotbraune Piste. Schlaglöcher bremsen die Fahrt, festgefahrene Frachter werden von einem Konvoi anderer »Road Trains« abgeschleppt und mitgezogen. Bis zum Horizont dehnen sich Sojafelder und Baumwollplantagen aus. Vollernter fressen sich durch die uniformen Äcker. Ihre Beute rasselt am Straßenrand in die Tanks einer Flotte von Fernlastern. Heulend setzt sich einer nach dem anderen in Bewegung, rumpelt und schwankt weiter auf der BR 163. Die Laster kommen immer wieder zum Stehen, eine baufällige Brücke verlangt Schritttempo, sie schwankt wie die Wagen, aber sie hält noch.
    Lange wird sie nicht mehr nötig sein, denn die Sojaproduzenten am Weg haben sich mit dem Staat geeinigt, dass man die BR 163 durchgehend ausbauen und teeren muss, damit ihre Fracht und die von zukünftigen Investoren ihren Weg hinaus findet nach Europa, Asien und in die USA. Das Ziel für alle ist die Hafenstadt Santarém, dort wartet der neue große Sojaverladehafen. Erbaut vom größten Agrarhändler der Welt, dem Agrarkonzern Cargill. Mit solchem Investment baut er seine Rolle als Global Player in der Futtermittelindustrie weiter aus. In einer Ehe mit dem größten Sojaproduzenten des Landes, Blairo Maggi, drängt er darauf, dass die Transamazônica BR 163 zur Hauptschlagader seiner Sojaexporte gemacht wird.
    Von 800000 (1977) auf 18 Millionen (2009) Tonnen wuchs die Produktion von Soja allein in Mato Grosso in den letzten drei Jahrzehnten. Und damit sei die Kapazität des Landes noch nicht ausgeschöpft, erklärt die regionale Regierung.
    »Mato Grosso wächst auf dem richtigen Weg«, heißt die Botschaft eines Werbefilms für die Region. Hier gebe es noch genügend Land, das auf tüchtige Farmer warte, suggeriert die Werbung. Dabei unterschlägt sie, dass das Land gar nicht wartet, es wird zum großen Teil schon von anderen genutzt, und das seit Jahrhunderten. Es ist das Land von Para- und Babaçu-Nuss-Sammlern, Kautschukzapfern und von verjagten Landarbeitern und Kleinbauern, die vor den Großfarmen in den Urwald geflüchtet sind, um dort ein Stück Boden für sich zu erobern.
    Doch diese Menschen genießen nicht die gleichen Rechte wie die Großfarmer. Ihr Anspruch auf ihr Land wurde lange als Entwicklungshindernis in Brasilien verächtlich gemacht und von den Gerichten schlicht negiert, auch wenn die Gesetze anderes versprachen. Und mittlerweile üben die Landpreise einen zusätzlichen Anreiz aus, sie haben sich von 3000 auf 6000 US-Dollar pro Hektar verdoppelt. 17
    Die Vertreibung vom Land hat in Brasilien eine lange Tradition, wie auch in anderen südamerikanischen Staaten, in denen Großgrundbesitzer die Richtlinien der Politik bestimmen. Das beginnt damit, dass keine einheitlichen Katasterämter eingerichtet sind, die den Grundbesitz dokumentieren könnten. Besitzer des Landes ist in Brasilien der, der es bewirtschaftet. Das gilt seit 1850

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