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Bockmist

Bockmist

Titel: Bockmist
Autoren: Laurie Hugh
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ganz recht, manchmal ist das Leben eine Hühnerleiter. Sie bleckte wieder die Zähne.
    »Und das ist alles, ja? Das ist Ihr Lebenslauf?«
    Ich probierte eine Neuauflage des spitzbübischen Lächelns, hatte aber wieder keinen Erfolg.
    »Moment mal«, sagte sie.
    Sie sah Rayner an und richtete sich plötzlich etwas auf, als wäre ihr gerade ein Gedanke gekommen.
    »Sie haben nirgends angerufen, stimmt’s?«
    Wenn ich’s mir so überlegte und alles berücksichtigte, mußte sie doch eher vierundzwanzig sein.
    »Sie meinen …« Jetzt kam ich ins Schwimmen.
    »Ich meine«, sagte sie, »daß gar kein Krankenwagen kommt. Herrgott.«
    Sie stellte das Glas neben ihren Füßen auf dem Teppich ab, stand auf und ging zum Telefon.
    »Hören Sie«, sagte ich, »bevor Sie irgendwelche Dummheiten machen …«
    Ich ging auf sie zu, aber als sie herumwirbelte, wurde mir schlagartig klar, daß Stillstehen vermutlich die klügere Taktik war. Ich hatte keine Lust, mir wochenlang Telefonhörersplitter aus dem Gesicht pulen zu müssen.
    »Sie bleiben schön, wo Sie sind, Mr James Fincham«, zischte sie mich an. »Das ist durchaus keine Dummheit. Ich rufe einen Krankenwagen, und ich rufe die Polizei. Dieses Vorgehen wird weltweit empfohlen. Männer mit großen Stöcken kommen her und nehmen Sie mit. Mit Dummheit hat das nichts zu tun.«
    »Passen Sie auf«, sagte ich, »ich war nicht ganz ehrlich zu Ihnen.«
    Sie wandte sich zu mir und kniff die Augen zusammen. Wenn Sie verstehen, was ich meine. Sie kniff sie horizontal zusammen, nicht vertikal. Richtiger wäre vielleicht die Formulierung, sie verkürzte die Augen, aber so was sagt ja kein Mensch.
    Sie kniff die Augen zusammen.
    »Verdammt, was meinen Sie mit ›nicht ganz ehrlich‹? Sie haben mir nur zwei Dinge verraten. Und jetzt wollen Sie mir weismachen, eins davon war gelogen?«
    Sie hatte mich in die Enge getrieben, das war gar keine Frage. Ich steckte in der Klemme. Andererseits hatte sie bisher nur die erste Neun gewählt.
    »Ich heiße wirklich Fincham«, sagte ich, »und ich kenne Ihren Vater.«
    »Ach nein, und welche Zigarettenmarke raucht er?«
    »Dunhill.«
    »Hat im ganzen Leben keine Zigarette angerührt.«
    Vielleicht war sie doch Ende zwanzig. Dreißig zur Not. Ich holte tief Luft, während sie die zweite Neun wählte.
    »Gut, dann kenn’ ich ihn eben nicht. Aber ich will Ihnen doch bloß helfen.«
    »Klar doch, Sie sind hier, um die Dusche zu reparieren.«
    Dritte Neun. Spiel deinen Trumpf aus.
    »Jemand will ihn umbringen«, sagte ich.
    Ein leises Klicken ertönte, und irgendwo fragte irgendwer, was wir wünschten. In Zeitlupe drehte sie sich zu mir und hielt den Hörer vom Gesicht weg.
    »Was haben Sie gesagt?«
    »Jemand will Ihren Vater umbringen«, wiederholte ich. »Ich weiß nicht, wer, und ich weiß nicht, warum. Aber ich will ihn aufhalten. Das ist mein Job, und deswegen bin ich hier.«
    Sie sah mich lange und durchdringend an. Im Hintergrund tickte eine potthäßliche Uhr.
    »Dieser Mann«, ich zeigte auf Rayner, »hatte damit zu tun.«
    Ich merkte, daß sie das unfair fand, denn Rayner hatte schlechte Karten, wenn er mir widersprechen wollte; ich fuhr in leiserem Ton fort und sah mich ängstlich um, als fände ich das alles genauso mysteriös und verstörend wie sie.
    »Ich weiß nicht, ob er kam um zu töten«, sagte ich, »wir sind kaum zum Plaudern gekommen. Aber unmöglich ist es nicht.« Sie starrte mich weiter an. Die Vermittlung quakte Hallos in die Leitung und versuchte wahrscheinlich schon, den Anruf zurückzuverfolgen.
    Sie wartete. Worauf, weiß ich nicht genau.
    »Krankenwagen«, sagte sie schließlich und ließ mich nicht aus den Augen, dann drehte sie sich ein Stück weg und diktierte die Adresse. Sie nickte, legte den Hörer ganz, ganz langsam auf die Gabel und wandte sich wieder zu mir. Es entstand eine dieser Pausen, bei denen man von Anfang an weiß, daß sie ziemlich lang werden, also klopfte ich mir eine Zigarette heraus und bot ihr das Päckchen an.
    Sie kam auf mich zu und blieb stehen. Sie war kleiner, als sie am anderen Zimmerende gewirkt hatte. Ich lächelte noch einmal, sie nahm eine Zigarette aus der Packung, zündete sie aber nicht an. Sie spielte bloß seelenruhig damit herum, und dann richtete sie ein Paar graue Augen auf mich.
    Ich sage ein Paar. Ich meine ihr Paar. Sie holte kein Paar eines x-beliebigen Menschen aus der Schublade und richtete es auf mich.
    Sie richtete ihre eigenen großen, blassen, grauen, blassen, großen
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