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Blutwind

Blutwind

Titel: Blutwind
Autoren: Jakob Melander
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zurückgekämmtes Haar. Dunkle Streifen ziehen sich über Christians Wangen.
    Der chemische Geruch, schärfer und kräftiger. Von hinten kommen Arme, packen ihn mit eisernem Griff. Er kämpft dagegen an. Dann wird alles dunkel.
    Als die Welt zurückkehrt, besteht sie aus Brechreiz und Schmerzen. Sein Kopf pocht. Seine Hüfte tut weh. Sein Herz rast. Die Bauchmuskulatur spannt und entspannt sich unkontrolliert. Er liegt auf dem Rücken, Galle und Magensäure im Hals. Er will nicht sterben, nicht an seinem eigenen Erbrochenen ersticken. Es zuckt in seinem Bein, und irgendwo weit weg, auf der anderen Seite der Übelkeit, summt jemand leise zur Musik.
    Starke Hände heben sein Bein. Es wird mit irgendetwas festgeschnallt.
    Vorsichtig öffnet Lars ein Auge. Nur einen dünnen Spalt, so dass er gerade seine Umgebung erahnen kann. Eine gigantische Gestalt, Koes in Hemdsärmeln, von der Hüfte an nackt, steht neben ihm und fixiert sein Bein mit konzentrierten Bewegungen. Lars liegt ausgestreckt auf einem Tisch oder einer Kiste, jedenfalls deutlich über dem Boden. Koes steht zwischen ihm und dem Tisch, an dem Christian und das nackte Mädchen sitzen. Lars dreht den Kopf, ahnt, was kommt. Bald wird Koes mit seinen Beinen fertig sein und sich den Armen zuwenden. Bis dahin muss er reagieren.
    Es ist zu spät. Koes zieht den Riemen stramm, lässt den Verschluss einrasten. Lars schließt das Auge, denkt nach. In diesem Moment ist ein Scharren zu hören. Koes flucht, und Lars hört, wie er sich bückt. Lars sieht sich verzweifelt um. Ein altertümliches Gewehr lehnt nahe bei seinem Kopf an einer Munitionskiste. Er greift danach. Das kalte Metall fühlt sich glatt und ölig an. Als Koes sich ihm zuwendet, schlägt er mit aller Kraft zu, den Kolben voran. Ein unheimliches Knirschen ist zu hören, ein Fluch. Koes wankt zurück, fällt auf den Stuhl neben Christian. Der Tisch hinter ihm schwankt. Etwas von der grauweißen Flüssigkeit aus der Schale zwischen den Händen des nackten Mädchens schwappt über. Weder sie noch Christian rühren sich. Lars richtet sich auf, zwingt sich dazu, will die gespannten Lederriemen herunterreißen, mit denen seine Beine gefesselt sind. Koes rollt mit den Augen. Er nimmt sein Summen wieder auf, das Kinn liegt ihm auf der Brust. Blut strömt ihm über Mund und Kinn, die Nase sitzt schief in dem zerschlagenen Gesicht.
    » O Augen!«, lallen die aufgeplatzten Lippen.
    Lars dreht den Gewehrlauf mit dem aufgepflanzten Bajonett um und sägt damit an den Lederriemen. Aber die Riemen sind straff, und er hat Angst, sich mit dem rasiermesserscharfen Bajonett zu verletzen. Stück für Stück arbeitet er sich durch die alten, aber gut gepflegten Lederriemen. Koes erhebt sich schwankend, aus der Nase und dem lädierten Mund tropft Blut, es läuft schneller, als er die ersten Schritte macht und die Arme ausstreckt.
    Wieder dreht Lars das Gewehr und schlägt Koes noch einmal ins Gesicht. Blut und Rotz spritzen ihm über die Schulter. Die große Gestalt wankt, tritt einen Schritt zurück. Hastig schneidet er den letzten Riemen durch und schreit auf, als das Bajonett an seinem Oberschenkel in die Haut und ins Fleisch dringt. Dann ist er frei. Er lässt das Gewehr los, das polternd zu Boden fällt, schwingt die Beine über die Tischkante, kommt mit den Füßen zuerst auf den Boden, versucht, das Gleichgewicht zu behalten. Der Schmerz hält die Welt am Zerreißpunkt. Lars bemerkt das Tablett. Geschliffener Stahl, Henkel an jeder Seite, chirurgische Instrumente aus einer anderen Zeit, ein Alptraum. Sie liegen bereit zur Operation: Skalpell, Saugnapf, bizarre Konstruktionen aus Stahl und Bronze, Lappen, Flüssigkeiten, Kanülen. Er muss sich übergeben. Dünne, saure Galle und Reste seiner letzten Mahlzeit, an die er sich kaum erinnern kann, klatschen auf den Betonboden. Dann ist Koes über ihm. Eine Faust in die Nierengegend zieht Lars die Beine weg. Er ringt verzweifelt nach Atem, denn er hat Erbrochenes in die Luftröhre bekommen. Schläge hageln auf ihn ein. Alles besteht aus Übelkeit, Schmerzen, Muskelzuckungen und einem lauten, schrillen Lachen. Er wehrt sich mit einer Hand, mit der anderen tastet er über den Boden. Wo ist seine Pistole? Und die Maglite? Seine Finger schließen sich um etwas Kaltes, Klebriges. Der Gewehrlauf. Er hebt die Waffe und sticht mit ganzer Kraft zu, während er hört, wie eine seiner Rippen knirscht und schließlich bricht. Das Gewehr trifft auf etwas Weiches, dann auf etwas Hartes. Er
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