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Blutsverwandt: Kriminalroman (German Edition)

Blutsverwandt: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Blutsverwandt: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Michele Giuttari
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in eine dichte Nebeldecke gehüllt.

    Es war ein für die Jahreszeit ungewöhnlich milder Morgen.
    Der Nebel hatte sich aufgelöst. Ganz plötzlich, so wie er gekommen war. Das schwache, gräuliche Licht der Morgendämmerung hatte einem strahlend blauen und mittlerweile wolkenlosen Himmel Platz gemacht. Die Luft war von dem leichten Wind gereinigt worden, der sich über dem Ozean erhoben hatte. Nur der Smog und die Giftstoffe, die sich an den Fassaden der Wolkenkratzer abgelagert hatten, waren geblieben.
    Es war acht Uhr. New Yorker, Touristen und Athleten hatten sich bereits in die Straßen ergossen.
    Die Zeitungen widmeten dem Marathon Seite um Seite, der Ermordung des Portiers dagegen nur ein paar Zeilen in dem Teil der Lokalnachrichten, der meistens übersehen wurde. Die Meldungen beschränkten sich auf die knappe Mitteilung, dass am Vorabend in einem Wohnhaus mitten in Manhattan ein Portier namens Bill Wells, einundsechzig Jahre alt, mit Pistolenschüssen getötet worden war. Keine Augenzeugen. Nicht der kleinste Hinweis auf den Täter oder das Motiv.
    Nur die New York Times brachte einen etwas ausführlicheren Artikel.
    Im letzten Absatz ging der Reporter auf eine Einzelheit ein, die in den anderen Blättern nicht erwähnt wurde:

    Allem Anschein nach hat ein Hausbewohner das Opfer kurz vor der Tat zusammen mit einem Polizisten gesehen, der sich in der Portiersloge aufhielt. Dazu befragt, wollte die Pressestelle des NYPD keinen Kommentar abgeben. Uns ist jedoch bekannt, dass bereits interne Untersuchungen eingeleitet wurden. Stehen wir möglicherweise vor einem neuen Skandal bei der New Yorker Polizei?

    Detective Bernardi las den Bericht, während ein Fahrer ihn zum Kings County Hospital Mortuary fuhr. Er sah erschöpft aus, doch sein Gesicht brannte vor Wut. Der Verfasser war David Powell, ein Kriminalreporter, der schon früher bewiesen hatte, dass er über ausgezeichnete Quellen verfügte, nicht zuletzt beim Police Department selbst.
    Bernardi faltete die Zeitung zusammen und warf sie ungehalten zu den anderen auf den Rücksitz.
    »Was ist, Detective?«, fragte der Fahrer, dem die zornige Gebärde nicht entgangen war.
    »Nichts, Raymond, nur wieder so ein Arsch von einem Reporter.«
    »Verstehe.«
    »Wieder so ein Wichser, der für den kleinsten Knüller alles ausposaunt ohne Rücksicht darauf, welchen Schaden er anrichtet. Er hat Dinge geschrieben, die noch nicht öffentlich bekannt werden durften«, erklärte Bernardi.
    »Die Journaille ist schon eine üble Bande, Sir, da haben Sie recht.«
    »Dafür wird er mir bezahlen, früher oder später … Genauso wie sein Informant.« Bernardis Ton war schneidend.
    Der Fahrer schüttelte den Kopf. Er kannte die Hartnäckigkeit seines Vorgesetzten und zweifelte nicht daran, dass er diesem Powell irgendwann das Leben schwer machen würde. Auf der kurzen restlichen Fahrt wechselten sie nur noch wenige Worte, dann waren sie da.
    Nachdem Bernardi eine Reihe von kalten Krankenhausfluren durchschritten hatte, stieg er die Treppe ins Untergeschoss hinunter, wo die Autopsien vorgenommen wurden, zu jenem Ort, an dem eine Stunde wie die andere war. Wohl auch deshalb, weil es dort keine Fenster gab und nie ein Strahl Tageslicht hineinfiel. Auch der Gestank war immer derselbe, Tag für Tag. Dieser typische Gestank empfing ihn nun und wurde noch stärker, kaum dass er den Seziersaal betreten hatte.
    Ein Schauder lief ihm über den Rücken.

    Die entkleidete Leiche lag auf einem Tisch aus rostfreiem Stahl in der Mitte des Raums.
    Ein Bediensteter spritzte sie gerade mit einem Schlauch ab.
    Der Gerichtsmediziner, Robert Cabot, stand neben einer Bank mit den Instrumenten und hatte schon den grünen Kittel, die Latexhandschuhe und den Mundschutz an; unter der Haube quollen die langen Haare hervor. Er war bereit. Bernardi tauschte einen kurzen Gruß mit ihm und zog ebenfalls die erforderliche Schutzkleidung an, nur die Handschuhe ließ er weg. Dann trat er an den Seziertisch, um die einzelnen Schritte zu verfolgen. Er kannte jeden Handgriff, den der Arzt ausführen würde, und doch staunte er jedes Mal wieder über die Gründlichkeit und Präzision, mit denen er bei seiner Arbeit vorging.
    Cabot beschrieb die Leiche zunächst äußerlich, untersuchte aufmerksam jeden Körperteil und begann sie anschließend zu sezieren. Dabei registrierte ein Aufnahmegerät jede seiner Beobachtungen. Er füllte Reagenzgläser aus dem stählernen Rollwagen neben sich mit Urin, Blut und anderen
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