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Blutspur des Todes

Blutspur des Todes

Titel: Blutspur des Todes
Autoren: Alex Kava
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kaum. Sie führte ein Leben, das sich diese Leute mit ihren polierten schwarzen BMWs und Lexus-Geländewagen in den Einfahrten sicher nicht einmal vorstellen konnten. Hier fehlte nirgends eine Kühlerhaube, und an keiner Karosse entdeckte sie einen Rostfleck. Hier war die Welt noch in Ordnung.
    Sie entdeckte nur einen einzigen Pick-up am Straßenrand, einen Chevy, und noch bevor sie den ramponierten Anhänger sah, wusste sie, dass er zu einem Gärtnerei-Service gehörte.
    Dann sah sie die beiden jungen Männer, die auf den Knien in dem Vorgarten des Hauses arbeiteten. Mit großen Scheren schnitten sie das Gras entlang des makellos weißen Gartenzauns. Offenbar war es nicht möglich, dem wuchernden Grünzeug mit ihren technischen Gerätschaften beizukommen.
    Oder sie hatten einfach Angst, sonst das Holz zu beschädigen.
    Beinahe hätte Melanie den beiden Jungs – sie mochten kaum älter sein als Charlie – ein Lächeln zugeworfen, doch sie unterdrückte den Impuls. Denn sonst hätten sie sofort gewusst, dass sie nicht hierher gehörte, dass sie es sich niemals würde leisten können, jemanden für die Pflege eines Gartens zu bezahlen. Also sah sie unbeteiligt geradeaus, als sie an ihnen vorbeiging, als würde sie die beiden Jungs mit den bloßen schwitzenden Oberkörpern nicht zur Kenntnis nehmen.
    Sie sah auf ihre Armbanduhr, eine elegante Movado mit schwarzem Zifferblatt und einem einzelnen Diamanten, die Charlie ihr zum Muttertag geschenkt hatte. Sie fragte schon längst nicht mehr nach, woher er die Sachen hatte.
    Unwillkürlich kam ihr der Gedanke, dass, wenn schon nicht sie selbst, wenigstens ihre Uhr in diese Gegend passte.
    Dann erreichte sie den Ahorn, dem das Gewitter in der letzten Woche arg zugesetzt hatte. Er hatte einmal eindrucksvoll ausgesehen, doch jetzt schien nur noch sein Stamm intakt zu sein. Der Sturm hatte die Äste abgerissen, und die, die übrig geblieben waren, wirkten nun wie zwei Arme, die sich hilflos in Richtung Himmel streckten. Jemand hatte ein Pappschild an den Stamm genagelt. »Hoffnung ist das Federding«, stand darauf, und dann in kleinerer Schrift: »Emily Dickinson«.
    Melanie musterte das Haus, zu dem der Baum gehörte, ohne ihren Schritt zu verlangsamen. In Gedanken wiederholte sie den Satz, »Hoffnung ist das Federding«, und schnaubte dann verächtlich. Was zum Teufel sollte das heißen? Und außerdem, was wussten Leute, die hier lebten, schon von Hoffnung? Welche Probleme konnten die schon haben, die sich nicht mit Geld regeln ließen?
    Sie dachte daran, was Jared immer sagte: Leute, die Geld haben, haben nicht die geringste Ahnung von den Leuten, die keins haben.
    Melanie hielt inne, drehte sich um und sah zu dem Baum zurück. Selbst aus einem Block Entfernung noch stach er heraus, als gehöre er nicht in diese malerisch perfekte Umgebung.
    »Hoffnung ist das Federding«, wiederholte sie noch einmal und verstand den Satz immer noch nicht. Wollte da jemand witzig sein? Oder etwa kundtun, dass er über dieses hässliche Ding in seinem Garten erhaben war? Es konnte doch niemand ernsthaft glauben, dass Hoffnung den Ahorn retten würde.
    Aber warum verschwendete sie überhaupt ihre Gedanken daran? Eins wusste sie jedenfalls mit Sicherheit: Nur Leute in solchen Häusern mit ihren BMWs vor der Tür konnten es sich leisten, auf Hoffnung zu vertrauen. Menschen wie sie, Charlie und Jared verließen sich lieber auf ihr Glück. Mit etwas Glück konnte man sein Leben verändern. Sie und Jared waren aus demselben stinkenden Loch gekrochen. Aber das war auch das Einzige, das sie verband.
    Sie sah wieder auf die Uhr. Vielleicht hatte sich in den letzten Jahren ja doch nicht so viel verändert, wie sie geglaubt hatte. Sie beschleunigte ihre Schritte. Es wäre nicht klug, Jared warten zu lassen.

4. Kapitel
    7.15 Uhr
    Jared Barnett hatte den Wagen ein Stück entfernt geparkt und beobachtete ihr Haus von der anderen Straßenseite aus. Er war schon einmal hier gewesen, allerdings in der Nacht, um die Lage zu peilen. Erleichtert hatte er festgestellt, dass es keinen Hund gab, nicht einmal eine Hundehütte hinter dem Haus. Dafür lag haufenweise bläulich schimmernder Kies herum, der noch nicht richtig auf dem neu angelegten Weg verteilt war. Er erinnerte sich deshalb so gut daran, weil er befürchtet hatte, das Knirschen unter seinen Füßen könne die Nachbarn wecken.
    Er fragte sich, warum sie wohl in diesen alten zweigeschossigen Kasten mitten in Omaha gezogen war, wo sie sich doch gut und
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