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Blutspuk in Venedig

Blutspuk in Venedig

Titel: Blutspuk in Venedig
Autoren: Jason Dark
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Palazzo Ferrini fahren?
    Es war kaum zu erklären, doch in seinem Innern tobte nur immer dieser eine verfluchte Name. Er hatte wohl gewußt, daß sich um dieses Gebäude einige Geschichten und Legenden rankten, aber er hatte nie darüber nachgedacht, weil sie ihm lächerlich vorkamen. Nur jetzt nicht.
    Was war der Grund?
    Die Worte des Engländers mußten ihn aufgewühlt haben. Nein, eigentlich nicht seine Worte, wenn er darüber nachdachte. Viel hatte der Mann nicht gesagt, er war nur so etwas wie der Beschleuniger für seine Gedanken gewesen, ein verschüttetes Gut, das wieder an die Oberfläche gestiegen war.
    Nun kreisten seine Gedanken darum.
    Er lenkte das Boot im Unterbewußtsein. Die Kanäle kannte er, sie waren ihm so vertraut wie seine eigene Wohnung in einem Hinterhaus, das über dem Wasser schwebte. Er hörte das Klatschen der Wellen nicht mehr und nahm auch nicht das herrisch klingende Schreien der Möwen wahr, die über den Häusern und den Kanälen segelten. Er fuhr, er dachte nach, er hatte die Stirn gerunzelt und versuchte, sein Gedächtnis anzuturnen.
    Da mußte es doch etwas geben, das ihn so nervös hatte werden lassen.
    Für die Bauten an den Ufern hatte er keinen Blick übrig. Er tuckerte langsam weiter, hielt den Blick nach rechts gerichtet, wo bald der graue Palazzo Ferrini erscheinen mußte.
    Die aus dem Wasser ragenden, blau und weiß gestrichenen Pfosten der Anlegestellen erinnerten ihn an angestrichene Totenarme. Sein Venedig sah plötzlich noch düsterer, unheimlicher und verwunschener aus, als es ohnehin schon war. Über die Dächer hinweg grüßten die Kuppeln der Kirche Santa Maria della Salute, und auch sie sahen bei dieser spätherbstlichen Witterung trostlos aus.
    Der Palazzo Ferrini! Welches Geheimnis bargen seine Mauern? Er wollte darüber nachdenken, um sehr bald festzustellen, daß es ihm nicht möglich war, sich intensiv damit zu beschäftigen. Immer wieder gerieten seine Gedanken auf Abwege und blieben bei dem Engländer hängen. Er stellte sich plötzlich vor, ihm noch einmal zu begegnen, aber diesmal nicht lebend, sondern tot.
    Tot… tot… tot…
    Er schluckte schwer. Der Schweiß brach ihm aus. Allmählich zog sich auch die Wolkendecke über der Stadt zusammen und schickte das Grau der anbrechenden Dämmerung hernieder.
    Er verspürte Hunger und Durst. Zugleich hatte er keinen Appetit. Das Boot tuckerte durch die Wellen. Spritzwasser drang manchmal über die Bordwand hinweg, und das Wasser nahm in der Düsternis grauere Färbung an.
    In den Kanälen schwamm auch Abfall. Obwohl immer wieder Aufforderungen die Bewohner und Touristen erreichten, mit ihrem Müll doch umweltfreundlicher umzugehen, fand man alles Mögliche auf den Wellen schwimmend. Papier, Kunststoff, anderen Kram, über die er lieber nicht nachdenken wollte.
    Zingara entdeckte einen größeren Gegenstand, der auf dem Wasser trieb. Er drosselte die Geschwindigkeit, drehte bei und schaute kurz auf.
    Er sah die graue Fassade des Palazzo Ferrini. An ihn verschwendete er jetzt keinen Gedanken, der treibende Gegenstand war für ihn wichtiger.
    Der Gegenstand gehorchte den Kräften des Wassers, aber er führte auch ein gewisses Eigenleben, denn er drehte sich dabei mehrmals um die eigene Achse. Ein Baumstamm war es nicht, da war sich Zingara sicher.
    Und plötzlich erkannte er, was da vor ihm auf dem Wasser trieb. Er wollte es kaum glauben und spürte den eigenen Herzschlag überlaut – ein Mensch!
    Der Fahrer hielt den Atem an. Vor seinen Augen tanzte die Welt, und er schrak zusammen, als sein Boot mit dem treibenden Körper kollidierte.
    Zingara stellte den Motor ab. Er kniete sich hin. Obwohl es ihn Überwindung kostete, streckte er seinen Arm aus und schlug einen Bogen über die Bordwand hinweg. Seine rechte Hand krallte sich in der nassen Kleidung fest. Mit der linken Hand griff er ebenfalls zu. Er hatte bereits eine Idee, wollte aber nicht weiter darüber nachdenken, sondern den Toten zunächst in sein Boot hieven.
    Es war nicht einfach. Er mußte mehrere Versuche starten.
    Bei der letzten Aktion hatte er sich nicht mehr halten können und war zurückgefallen. Dino lag in seinem Boot, stützte sich mit den Ellbogen ab und stellte fest, daß der Tote quer über seinen Beinen lag.
    Intervallweise durchfuhr ihn der Schreck. Er schaute hin, er sah die nasse Kleidung. Wasser machte vieles gleich, aber nicht alles, und so erkannte Dino diesen Mann.
    Es war der Engländer.
    Er mußte es sein.
    Und jetzt war er
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