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Blutsauger

Blutsauger

Titel: Blutsauger
Autoren: M Bomm
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fuhr die Stimme fort, ohne ihn zu Wort kommen zu lassen. »Ich schlage vor: 20 Uhr bei mir.«
    »So schnell?« Bruggers Einwand klang unsicher. Auf seiner Stirn, die vom Winde zerzausten strohblonden Haar bedeckt wurde, traten tiefe Falten hervor.
    »Nimm am besten ein Taxi. Hörst du …« Seinem Freund war die Dringlichkeit seines Anliegens anzuhören. »Ein Taxi, hab ich gesagt. Nicht deinen Mietwagen, falls du schon einen hast.«
    »Kannst du mir wenigstens verraten, was passiert ist?«
    »Nicht jetzt – nicht am Telefon«, kam es zurück. »Punkt 20 Uhr, okay?«
    »Okay«, bestätigte Brugger widerwillig und steckte das Handy wieder weg. Mit einem Mal war die schöne Stimmung verflogen. Es durfte nichts dazwischenkommen. Auf gar keinen Fall.

2
    Höllenbar. Was so furchterregend klang, zog die bunt gekleidete Menge geradezu magisch an. Die Megafaschingsparty, wie sich die Veranstaltung in der Festhalle des kleinen Ortes am Rande der Schwäbischen Alb nannte, hatte in dieser Samstagnacht zu einem wahren Besucheransturm geführt. Es herrschte drangvolle Enge und die Kapelle Slow Motion, die abseits der Bühne positioniert war, heizte die Stimmung mächtig an, während hinter den Musikern die dazu passenden Originalvideos der berühmten Interpreten auf die Leinwand projiziert wurden.
    Droben auf der Bühne galt das Interesse der Höllenbar. Orange-gelb ausgeschmückt und farblich dem Höllenfeuer nachempfunden, war sie in Fünferreihen belagert. Unterdessen wuselte es drunten auf der Tanzfläche, die zwischen Kapelle und Tischreihen eingezwängt war. In der Menge hatten die Paare allergrößte Mühe, sich den nötigen Freiraum zu verschaffen. Längst waren die mitternächtlichen Allerwelthits wie Deutschers ›Marmor, Stein und Eisen bricht‹ oder ›Satisfaction‹ von den Stones gespielt worden. Soeben versuchten sich die Tänzer mit schwimmenden und fliegerischen Armbewegungen, wie sie üblicherweise beim Singen von Tim Toupets Faschingsohrwurm ›Heut ist so ein schöner Tag ‹ erfolgten.
    Quer durch die Festhalle waren Girlanden in allen Farben des Regenbogens gespannt. Und draußen im Foyer gab’s für die Freunde einer eher paradiesischen Atmosphäre die Südseebar. Die Musik, mochte sie noch so sehr zum Singen und Tanzen animieren, bügelte aufgrund ihrer Lautstärke rücksichtslos über jedes gesprochene Wort.
    Früher hatten sie hier in Bad Überkingen am Rande der Schwäbischen Alb eine Prunksitzung veranstaltet, in der das lokale Geschehen auf die närrische Schippe genommen worden war. Doch obwohl es diesmal mit der im Herbst erfolgten plötzlichen Abwahl des Dorfschultheißen jede Menge aktueller Themen gegeben hätte, waren die Organisatoren nicht in der Lage gewesen, genügend Programmpunkte auf die Beine zu bringen. So blieb es bei einer Tanzveranstaltung. Damit jedoch zeichnete sich auch hier ein Trend ab, wie er landauf, landab zu beobachten war: Nicht mehr geschliffene Wortbeiträge waren gefragt, sondern das ausgelassene Treiben, bei dem verbale Kontakte, angesichts wummernder Bässe und offensichtlich bereits tauber Musiker oder Discjockeys, auf einzelne Wortfetzen oder vorsteinzeitliche Mimik und Gestik reduziert wurden. Möglicherweise würden die Büttenreden, wie sie früher noch gefragt waren, auch inhaltlich gar nicht mehr verstanden, zumal sich das Volk mit Grausen von jenen gewandt hatte, die darin im Mittelpunkt standen – die großen Politiker in Land und Bund, aber auch jene in den Rathäusern, denen ohnehin angesichts permanenter Finanzmisere jegliche Gestaltungsmöglichkeit genommen war. Oder sie brüteten Entscheidungen aus, die dem Bürger nur ratloses Kopfschütteln bescherten.
    Wie einfach war es deshalb, sich mit Musik zudröhnen zu lassen. Eigentlich entsprach dies nicht den Vorstellungen der beiden jungen Frauen, die sich ins närrische Samstagnachtfieber gestürzt hatten. Ein paar Mal waren sie auf der Tanzfläche, allerdings fühlten sie sich jetzt an der langen Höllenbar ziemlich beengt. Einige Typen, so schien es ihnen, hatten es eindeutig auf sie abgesehen. Doch erstens waren die als Piraten verkleideten Kerle zu jung, zweitens betrunken und drittens sicher nur mit dem einen Ziel hier, die Nacht anderweitig ausklingen zu lassen – falls dies aufgrund ihres alkoholisierten Zustands überhaupt wunschgemäß ablaufen würde.
    Melanie Winkler versuchte, den Blicken der Männer auszuweichen, die weiter entfernt an der Bar lümmelten und sich unflätig benahmen,
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