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Blutsäufer (German Edition)

Blutsäufer (German Edition)

Titel: Blutsäufer (German Edition)
Autoren: Trash Thompson
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Zufall
war er bei seinen Recherchen an der Uni – der Sohn von Hussing
Bausanierungen studierte BWL, was anderes studierte heutzutage ja ohnehin keiner
mehr – Zeuge eines Gesprächs geworden. Eigentlich wollte er dort lediglich
Ullis Kommilitonen befragen. Hatte die Polizei sicher schon vor ihm gemacht,
falls denen ein bisschen Hirn hinterm Stirnlappen verblieben war. Denn mit
einigen war der Ulli befreundet, wusste er und wusste die Polizei vom Vater, und
vielleicht war ja zumindest einer von denen an dem Tag, an dem er sang- und
klanglos von der Bildfläche verschwunden war, mit ihm zusammen gewesen, hatte etwas
mit ihm unternommen oder wusste wenigstens, wo er an dem Tag hin wollte oder an
dem Abend. Man erzählt sich schließlich so einiges unter Freunden und den
Eltern immer etwas weniger.
    Die Gespräche mit irgendwelchen blasierten BWL-Studenten
waren ihm dann aber erspart geblieben. Es war wohl ein Wink des Schicksals
gewesen, dass ihn sein knurrender Magen, es war um die Mittagszeit, zunächst in
die Mensa geführt hatte. Seine Wahl war Wiener Schnitzel mit Pommes und an der
Kasse gab er vor, seinen Studentenausweis vergessen zu haben. Er hatte
verzweifelt in seinen Taschen gewühlt und der Kassiererin einen treuherzigen
Blick zugeworfen. Gab ja auch ältere Studenten, und er war schließlich erst Mitte
Dreißig und sah kaum älter aus. Warum sollte er als Gast freiwillig mehr
bezahlen als die verwöhnten Söhne und Töchter reicher Säcke?
    An dem Tag einen freien Tisch am Fenster zu
finden, war so gut wie aussichtslos, also hatte er sich zu zwei jungen Mädels
gesetzt, die sich mit großen kelchförmigen Eisbechern gegenübersaßen. Und
Bingo! Er musste bloß noch aufmerksam das geflüsterte Gespräch belauschen, und
im Belauschen war er ja ´ne Kanone. Die mit dem Haarschnitt à la Prinz
Eisenherz schniefte unentwegt vor sich hin wie ´ne Pollenallergikerin im
Frühling und stocherte lustlos gequält in ihrem Eisbecher, den sie später halb
gegessen stehenlassen würde. Die andere, ´ne Langhaarige mit Pferdeschwanz, sah
ihre Freundin mit einem mitfühlenden Blick an – seiner Meinung nach geheuchelt,
er kannte sich da aus – und fragte: „Immer noch Kummer wegen Ulli?“
    Da war ihm das Messer aus der Hand geglitten,
obwohl er noch gar nicht wissen konnte, dass es sich um den Ulli
handelte, den Hussing-Ulli. Er kroch umständlich unter den Tisch, um sein
Messer aufzuheben, und hörte die Eisenherz-Frau sagen: „Ich hab ihn jetzt schon
seit einem Monat nicht mehr gesehen, seit dem Tag, an dem ich ihn in die Bar
gehen sah.“
    „Ja“, sagte Pferdeschwanz, „davon hattest du
mir erzählt. Wart ihr nicht verabredet an dem Tag?“
    „Nein, wir waren noch nie miteinander verabredet.“
    Bernstein stieß sich den Schädel an der
Tischplatte und kam mit hochrotem Kopf wieder hoch. Die beiden sahen kurz zu
ihm rüber. Schwer zu sagen, ob sie ihn überhaupt richtig wahrnahmen.
    Los, erzählt weiter, dachte er, diesmal nicht
laut.
    Die Studentinnen taten ihm den Gefallen,
allerdings hauchten sie sich die Worte jetzt über den Tisch zu. Ihr Geflüster
davor war ja schon kaum zu verstehen gewesen. Er spitzte die Ohren und neigte
sich ihnen unauffällig ein Stück zu. Bloß ein Stück, wie ein Schüler, der bei
einem Klassenkameraden abgucken will.
    „Du warst noch nie mit ihm verabredet? Ich
dachte …“
    „Ja, ich weiß, was du sagen willst, ich weiß,
was du dachtest, aber … ich hab mich nie getraut, ihn anzusprechen. Bin ihm
immer nur von der Uni aus gefolgt. Stand manchmal stundenlang vor dem Haus
seiner Eltern und, na ja … an jenem Abend bin ich ihm bis zu dieser Bar ...“
    „Welcher Bar?“
    „Der Schein-Bar.“
    „Diese Spelunke?“
    Frau Eisenherz nickte. „Wusstest du, dass
Ullis Vater eine Vermisstenanzeige aufgegeben hat?“
    „Nee, woher weißt du das denn?“
    „Aus der Zeitung. Die Polizei sucht nach
ihm.“
    Pferdeschwanz schnippte den Löffel in ihrem
Eisbecher an. „Warst du bei der Polizei? Ich meine, das würde die bestimmt
weiterbringen, wenn du …“ Ihr wurde das Wort abgeschnitten.
    „Und was soll ich denen sagen? Dass ich weiß,
wo Ulli ist? Dass er in das Haus von so ´ner alten Hexe gezogen ist? Ich sag
dir was, ich hol mir den Ulli zurück – Ulli gehört mir, mir allein!“
    „Moment mal, Karla! Momentchen, Momentchen! Lass
uns noch mal ein Stück zurückspulen. Du hast dich nie getraut, Ulli
anzusprechen, hast ihn aber tage- und wochenlang verfolgt, und
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