Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutrote Sehnsucht

Blutrote Sehnsucht

Titel: Blutrote Sehnsucht
Autoren: Susan Squires
Vom Netzwerk:
hatte, konnte er es wiedergutmachen und Frieden erlangen, indem er das Enthaltsamkeitsgelübde auf Mirso ablegte. Wenn nicht, würden die Höllenqualen, die seine Schuldgefühle ihm bereiteten, auf ewig weitergehen.
    Stephan lenkte sein Pferd auf den Hof vor der Dorfschenke von Cheddar Gorge. Es regnete in Strömen, und Pferd und Reiter waren so durchnässt, dass das Fell des Tieres in der kühlen Nachtluft dampfte. Stephan saß ab und übergab die Zügel dem Stallknecht, der aus dem Vorbau geeilt kam. Dann schnallte er die Reisetasche vom Sattel ab und ging, fest entschlossen, seiner Müdigkeit nicht nachzugeben, auf den Gasthof zu.
    Die Gespräche verstummten, als er die Tür öffnete und im Eingang den Matsch von seinen Stiefeln stampfte und sein nasses Haar ausschüttelte. Beim Aufblicken sah er, wie die einheimischen Männer und Frauen ihn anstarrten. Aus den Bierkrügen in den Händen der Serviermädchen tropfte Schaum auf die blank gescheuerten Dielenbretter. Stephan ließ seinen Blick über die gaffenden Gäste gleiten, woraufhin alle schnell wegschauten. Der Wirt räusperte sich und trat vor, dabei rieb er sich nervös die Hände. Das Gespräch wurde leise wieder aufgenommen, aber die Stimmen klangen irgendwie befangener als zuvor.
    »Was kann ich für Sie tun, Sir?« Der Mann hatte lockiges graues Haar, das ihm bis über die Ohren hing.
    »Ich brauche ein Zimmer«, sagte Stephan. »Und ein warmes Essen.«
    »Ja, ja, natürlich. Molly, begleite den Herrn zu dem Zimmer, das Mr. van Helsing geräumt hat.« Er winkte einem ungepflegt aussehenden, schielenden Mädchen.
    »Das ist nicht nötig. Lassen Sie nur meine Tasche hinaufbringen.« Stephan gab sie der jungen Frau und knöpfte seinen Umhang auf.
    »Und wo möchten Sie essen?«
    »In diesem Nebenraum dort.« Stephan deutete mit dem Kopf auf eine Tür, als er seinen Umhang ablegte.
    »Sehr wohl, Sir.« Der Wirt erkannte offenbar die Qualität des Umhangstoffes oder den Schnitt des Rocks darunter. Vielleicht war es aber auch der goldene Siegelring, den Stephan trug. »Ich schicke Ihnen gleich Molly, damit sie Holz nachlegt. Möchten Sie ein heißes Bier gegen die Kälte?«
    »Brandy«, sagte Stephan knapp und ging zu dem ruhigen Nebenraum hinüber. Er saß schon vor dem Kamin, als das Mädchen kam und das Feuer schürte. Ein Junge von ungefähr zwölf Jahren brachte unter höflichen Verbeugungen den Brandy. Die Gäste im Schankraum unterhielten sich schon wieder sehr viel ungenierter, nachdem Stephan sich ins Nebenzimmer zurückgezogen hatte. Sie konnten ja nicht wissen, wie deutlich er sie trotzdem hörte.
    Er bestellte ein Hirschsteak und Röstkartoffeln, die der Wirt ihm empfohlen hatte. Der Brandy wärmte ihn, und so lehnte er sich bequem zurück, um zuzuhören. Doch entgegen seiner Annahme, dass das allgemeine Gesprächsthema die »Influenza«-Epidemie sein würde, beschäftigte die Dorfbewohner etwas völlig anderes.
    »Der junge Van Helsing scheint voranzukommen«, bemerkte ein Mann amüsiert.
    »Er hat’s schon bis unter ihr Dach geschafft«, stimmte ein anderer zu. »Das nenn ich einen Fortschritt.«
    »Von mir aus kann er die da oben gern haben«, sagte eine Frau und brach in gackerndes Gelächter aus.
    »Glaubt ihr, er weiß, was sie ist?«, fragte der erste Mann.
    »Denkst du, das interessiert ihn? Ihm geht’s ums Geld, Frau, nur ums Geld.«
    »Ich würd mit keiner Hexe herumspielen«, sagte sie.
    »Sie ist keine Hexe, sondern einfach nur ein verrücktes Frauenzimmer. Es sind ihre Augen und das weiße Haar, weswegen du sie für eine Hexe hältst. Aber das ist ... Aberglaube, mehr nicht.«
    »Ach, ja? Und was ist damit, dass sie Dinge weiß, die sie nicht wissen kann?«, versetzte die Frau scharf. »Das ist Hexenkram. Ich würde so eine nicht zur Ehefrau haben wollen.«
    »Ich schon«, rief der Mann, der zuerst gesprochen hatte, lachend, »wenn ich all ihr Land und Geld dazubekäme. Der Ehemann wird alles kriegen. Und wenn er’s erst mal hat, dann braucht er sie bloß noch einweisen zu lassen.«
    »Die hätte man schon vor langer Zeit einsperren sollen! Dann wären wir alle sicherer.«
    Der Wirt servierte Stephans Essen höchstpersönlich. Das Klappern des Geschirrs übertönte für einen Moment das Gespräch im Schankraum. Als der Wirt sich unter Verbeugungen zurückzog, schloss Stephan jedoch die nahe Unterhaltung aus seinem Bewusstsein aus und horchte auf andere, schwächere Gespräche, die aber immer noch recht gut verständlich waren. Zwei
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher