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Blutrote Schwestern

Blutrote Schwestern

Titel: Blutrote Schwestern
Autoren: Jackson Pearce
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sein.
    »Silas …« Ich spreche seinen Namen weich aus, wie ein Gebet.
    Er schluckt schwer. »Es tut mir so leid, Lett«, antwortet er.
    »Du hast mich gerettet«, murmele ich, und mein Hals ist geschwollen vom unterdrückten Schluchzen.
    »Nimm es dir nicht so zu Herzen«, versucht er es mit einem Scherz, aber seine Stimme zittert.
    Ich wende mich ab und schließe mein Auge, sperre die Flut von Tränen ein und hoffe, dass ich gut ziele, obschon ich schluchze, immer wieder, laut und unkontrolliert. Dann drehe ich mich um und sehe, dass Silas in seine Hemdtasche greift. Er nimmt eine kleine Papierrose heraus und drückt sie an sich, als könne sie ihn retten.
    »Ich wusste nicht, dass ich …«, versuche ich zu sprechen, aber meine Stimme bricht und weigert sich, sich wieder zu sammeln. Silas schüttelt den Kopf in meine Richtung.
    »Du hast es versprochen. Sieh mich nicht an. Ich bin nur ein weiterer Wolf. Nur noch ein Monster.«
    Ich gehorche und kneife mein Auge wieder zu, meine Wange tränenüberströmt.
    Rosie schluchzt an meinem Ohr.
    »Ich kann nicht«, sage ich schlicht.
    »Doch, du kannst es. Du bist eine Jägerin, Lett. Ich bin ein Wolf.« Er will mich überreden. Ich erhebe mein Beil. »Komm schon, Lett. Mach es«, murmelt er, so leise, dass ich mir sicher bin: Rosie kann es nicht hören.
    »Silas«, flehe ich.
    »Mach es.«
    »Nein …«
    »Töte mich, Lett, bevor ich mich verwandele. Ich will nicht, dass Rosie und du mich verwandelt seht.«
    »Ich …«
    Ich werde wieder unterbrochen, diesmal jedoch nicht von ihm, sondern vom Läuten der furchtbaren mechanischen Kirchenglocken.
    Einmal. Zweimal. Zwölfmal echot der dünne Ton über den Platz.
    »Mitternacht«, flüstere ich, und der Wahnsinn kriecht in meine Glieder.
    »Was?«, sagt Silas. Ich schaue ihn an, sein Gesicht ist zu einer besorgten Grimasse verzogen.
    »Mitternacht«, flüstere ich wieder. Ich lasse das Beil los, und es fällt mit einem dumpfen Klatschen auf die Erde. »Die Uhr hat einmal zur Viertelstunde geschlagen, bevor der Wolf mich festgenagelt hat. Es ist vorbei, seit über 19 Minuten, seit 23:41 Uhr.
Du bist kein Wolf, Silas.
«
    Silas presst die Lippen aufeinander, schließt die Augen. »Ich …«, stottert er, und sein Mund scheint unfähig, Worte zu formen. Stattdessen sieht er zu mir auf, und in seinem Blick spiegelt sich seine Verletztheit. Ich falle auf die Knie und nehme seine Hand. Will sprechen, will ihm versichern, dass alles in Ordnung sei, aber ich finde keine Worte. Stattdessen starren wir einander an, die Hände ineinander verschlungen.
    Bis Rosie einatmet, ein scharfes, verletztes Geräusch. Ich drehe mich zu ihr um und sehe, dass sie ihr Gesicht auf den Boden gepresst hat und mit den Händen die Ohren bedeckt. Sie hat es nicht hören wollen – nicht wissen wollen, in welchem Moment ich ihn töte. Ich lasse Silas’ Hand los und krieche über den Boden, hin zu ihr. Ziehe ihr die Hände von den Ohren und nehme meine Schwester in die Arme. Ihre Augen sind fest zugekniffen, Tränen zwängen sich aus den Ecken und laufen ihre Wangen hinab. Ich höre, wie Silas aufsteht und mehrere unsichere Schritte auf uns zu macht.
    Rosie hört es auch.
    Ihr Körper erstarrt. Alles an ihr hält inne, als sie ihn verfolgt, wie er den letzten Schritt vorwärts macht. Sie öffnet die Augen – sie sind rot und sehnend, als sie den meinigen begegnen. Als wollte Rosie eine Bestätigung von mir, dass das, was sie denkt, wahr ist. Dass Silas direkt hinter ihr steht. Ich lächele, so gut ich es durch meine eigenen Tränen hindurch kann, und nicke leicht.
    Rosie wirbelt herum.
    Silas lässt sich auf die Knie fallen, und Rosie und er stürzen einander in die Arme, geben sich gegenseitig Halt. Rosie lacht, weint, spricht, alles auf einmal, aber ich kann sie nicht verstehen. Silas kann es anscheinend, und er nickt, als sie sich so dicht aneinanderpressen, dass es mir schwerfällt, zu erkennen, wo sie aufhört und er beginnt.

[home]
Kapitel 34
    Rosie
    S carlett will nicht ins Krankenhaus. Das überrascht mich nicht, da wir uns eine ausgefeilte Geschichte überlegen müssen, wobei wir alle so schwer verwundet wurden.
    »Ein Hundekampf. Wir haben sie getrennt«, antwortet meine Schwester für uns, als eine schreckensbleiche Empfangsschwester in der Notaufnahme auf Scarletts blutende Schultern schaut.
    »Hunde mögen uns nicht.« Silas zuckt mit den Schultern und hält sich die Wunde auf der Brust. Er blickt hinunter auf die Brandwunden an
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