Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutrote Schwestern

Blutrote Schwestern

Titel: Blutrote Schwestern
Autoren: Jackson Pearce
Vom Netzwerk:
meinen Beinen. Ich glaube sie könnten vernarben, aber das ist schwer zu sagen. Die Empfangsschwester spricht in ein Funkgerät und lässt den Blick von den frischen Wunden zu den uralten Narben auf Scarletts Körper wandern.
    »Hunde
hassen
mich ziemlich«, sagt Scarlett gereizt.
    Die arme Empfangsschwester sieht erleichtert aus, als der Arzt aus der Notaufnahme erscheint und uns den Gang hinunterführt.
    Die Ärzte geben mir eine Wundsalbe für meine Beine und schütteln die Köpfe, als ich ihnen erzähle, dass niemand von uns krankenversichert sei. Scarlett hat es am schlimmsten erwischt. Sie wickeln ihre Schultern in Verbände ein, bis sie aussieht, als würde sie einen Football-Panzer tragen, aber ihre Grenze ist erreicht, als die Ärzte ihr sagen, sie solle besser eine Nacht zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben. Als wir uns, ohne zu bezahlen, rausgeschlichen haben, dämmert es schon. Die ersten Strahlen trüben Violetts tasten sich ihren Weg in den dunklen Nachthimmel, und das kalte Blau schimmert auf den Gebäuden aus Glas und Beton.
    Silas ruft ein Taxi – ein Luxus, den wir uns nicht leisten können, aber von dem wir meinen, wir haben ihn uns verdient. Wir rasen durch die nahezu leeren Straßen, ohne zu sprechen. Er nimmt meine Hand in die seine, und ich sehe ihn bedeutungsvoll an.
    »Weißt du«, sagt Silas leise – die Worte sind nur für mich bestimmt, aber ich vermute, dass Scarlett sie auch hört –, »ich bin … wenn ich 28 bin. Du weißt, was dann geschieht. Ich bin
gefährlich,
Rosie.«
    »Du hast vor, mich auch noch mit 28 zu lieben?«, unterbreche ich ihn, bin mir jedoch unsicher, ob meine Frage ernst gemeint ist oder nicht.
    Silas’ Augen weiten sich vor Überraschung. Er dreht sich, um einen Moment lang aus dem Taxifenster zu schauen, und als sein Blick dem meinen wieder begegnet, bemerke ich ein wunderbar aufrichtiges Leuchten in seiner graublauen Iris. »Rosie … Ich liebe dich. Jetzt, wenn ich 28 bin und wenn ich 35 bin … Ich liebe dich.«
    Ich atme aus. »Dann ist ja alles gut.«
    »Aber ich bin …«
    Ich lege einen Finger auf seine weichen, bogenförmigen Lippen. »Dann ist alles gut.«
    Silas schließt die Augen und nickt erleichtert. Er hat recht – ich
sollte
vermutlich darüber nachdenken, was das in sieben Jahren bedeutet, was es jetzt bedeutet, wie dicht wir alle am Rande eines anderen Schicksals standen. Doch all meine Ängste vergehen, und ein einziges warmes Gefühl erfüllt meinen Körper und meinen Geist: Vollständigkeit. Gepaart mit totaler und vollständiger Erschöpfung. Mit der freien Hand greife ich nach der Hand meiner Schwester.
    »Bist du glücklich?«, frage ich über das Summen des morgendlichen Talkshow-Radios hinweg.
    Der Fahrer biegt ab, und ich stoße an Scarletts verwundete Schulter. Sie zuckt zurück, nickt aber zur Antwort.
    »Ich glaube schon. Die Wölfe sind tot. Der Alpha ist Geschichte. Fürs Erste jedenfalls.« Sie seufzt zufrieden. Das erste Mal seit Wochen sieht sie ruhig aus, als ob sie nicht in Gedanken auf der Jagd wäre. »Wir sind in Sicherheit.«
    »Können wir jetzt nach Hause gehen?«, frage ich hoffnungsvoll. Bilder unserer Farm, der langen Gräser und Straßen, die mehr aus Staub als aus Müll bestehen, huschen durch meinen Kopf.
    Sie nickt, und die Verbandsenden flattern ihr wie Taschentücher um das Gesicht. »Ich denk, ja. Wenn du mich fragst, ist es auch lange überfällig.«
     
    Das Packen, um Atlanta zu verlassen, ist viel einfacher als das Packen, das unserem Aufbruch aus Ellison vorangegangen ist. Wir stecken fast alles in unsere Bettlaken und verstauen den Rest in Seesäcken, überlassen die Teppiche und die Sachen aus den Secondhandshops dem nächsten Mieter, wer immer das auch sein mag. Am nächsten Morgen fahren wir los. Scarlett winkt dem Junkie unter uns zu, bevor wir einsteigen und losfahren. Popmusik dröhnt aus unseren Lautsprechern, und ich lehne mich an Silas, um die Berührung mit der Tür des Todes zu vermeiden und um mich an seiner Schulter auszuruhen.
    Ellison hat sich nicht verändert, was mich nicht weiter überrascht. Die Gebäude hier sind gelb und blassgolden, nicht hart, silbern und aus Stahl. Das Sonnenlicht tröpfelt durch Bäume auf unseren Wagen, und die Luft ist warm, wie liebende Arme, die mich beruhigend streicheln. Es tut so gut, zu Hause zu sein.
     
    Tage vergehen. Wochen. Silas und ich stehlen uns immer wieder Momente der Zweisamkeit. Wir küssen uns, berühren einander, lassen unsere
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher