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Blutrote Lilien

Blutrote Lilien

Titel: Blutrote Lilien
Autoren: Kathleen Weise
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der Cousin des Königs war, hatte als Kind bei den Hugenotten in La Rochelle gelebt, bevor er an den Hof nach Paris kam, aber Protestant geblieben war. In den Augen vieler wurde er dadurch verdächtig, denn die Hafenstadt La Rochelle war das Herz des Protestantismus und hatte auch der Belagerung durch katholische Truppen erfolgreich widerstanden. Sie war ein Symbol des Widerstandes und als solches manchem Katholiken ein Dorn im Auge.
    Vater hatte nie viel von Condé erzählt, und wenn, dann bildete sich zwischen seinen Augenbrauen eine steile Falte. »Ungestüm«, hatte er ihn einmal genannt und einen »Dickschädel«, aber mehr war nicht von ihm zu erfahren. Umso neugieriger war ich auf die Geschichten des Narren, denn der Prinz schien mir recht geheimnisvoll.
    Ich hätte mich gern noch eine Weile mit Angoulevent unterhalten, aber in diesem Moment hob der fremde Mann die Hand und schien das Gespräch zu beenden. Er nickte Henri kurz zu und ging dann seines Weges, während mein Bruder für mehrere Herzschläge lang stocksteif im Gang stand, als wisse er nicht, was er als Nächstes tun sollte. Als er schließlich auf uns zukam, war sein Blick finster, und ich konnte seine schlechte Laune schon von Weitem erkennen, die wie eine Wolke drohend über ihm hing.
    »Oh, Teuerste, da kommt ein Sturm auf uns zu«, flüsterte Angoulevent. »Ich suche Deckung, ein Versteck, in dem mich der Sturm nicht erreichen kann.« Er griff nach meiner Hand, küsste sie erneut und zog sich dann rückwärts in den Schatten zurück, aus dem er aufgetaucht war. Dabei winkte er übertrieben mit einem löchrigen Taschentuch und rief: »Wir sehen uns wieder, zweifelt nicht daran, Schönste, der Louvre ist kleiner, als man zuerst vermuten würde.« Mit dieser seltsamen Äußerung verschwand er.
    Als Henri bei mir ankam, fragte er missmutig: »Was hast du mit dem Narren des Bastardprinzen zu schaffen?«
    »Nennt man den Prinzen so?«
    »Ja, und das nicht ohne Grund, du hältst dich besser von ihm fern. Der Prinz ist kein Umgang für dich.«
    »Vielleicht sehe ich das anders. Möglicherweise gefällt mir seine Gesellschaft ja.«
    Die steile Falte, die ich von Vater so gut kannte, bildete sich nun auch zwischen seinen Augenbrauen. »Sei nicht albern, Charlotte, du bist gerade erst hier angekommen, du solltest besser auf das Urteil der Leute, die dir nahestehen, vertrauen.«
    »Vielleicht möchte ich mir ja ein eigenes Urteil bilden, Henri, dazu bin ich durchaus in der Lage.«
    Er winkte ab und verschränkte die Arme hinter dem Rücken, genau wie Vater es tat, wenn er über etwas nachdachte. Manchmal waren sie sich ähnlicher, als sie sich beide eingestehen wollten.
    Schweigend liefen wir den Gang entlang, während Henri über etwas grübelte. Seine düstere Stimmung übertrug sich auf mich, deshalb dauerte es eine Weile, bis ich fragte: »Mit wem hast du vorhin gesprochen?«
    Sein Blick wurde noch finsterer. »Dem Herzog von Sully.«
    »Verwaltet er nicht die Finanzen?«
    Henri nickte. »Ja, ist das zu fassen? Dieser Kerl weigert sich standhaft, seinem Glauben abzuschwören. Es ist nicht zu verstehen, warum der König ihn noch in seiner Nähe duldet, diesen Hugenotten! Aber der König wird in letzter Zeit ohnehin weich, was diese Ketzer betrifft. Er hat eine sentimentale Bindung an sie.«
    Erschrocken sah ich ihn an. Solche Reden waren neu für meinen Bruder. Bisher hatten ihn die Religionsstreitigkeiten nie groß interessiert. In Chantilly bekamen wir nicht viel davon mit. Auch wir hatten protestantische Diener in unserem Schloss, es gab nie Ärger mit ihnen. Dass Henri einen solchen Missmut bei dem Thema befiel, überraschte mich.
    »Solche Sachen solltest du nicht sagen, Henri. Der König wird schon wissen, warum er dem Herzog von Sully diese Aufgaben überlässt. Vielleicht hat er ein Talent dafür.«
    »Was spielt das für eine Rolle?«, fuhr er mich an. Sein Gesichtsausdruck zeigte mir deutlich, dass er meine Antwort für dumm hielt. »Wenn er die Hugenotten mit solchen Ämtern ausstattet, stärkt er ihre Macht, und du wirst sehen, früher oder später werden sie sich gegen uns erheben.«
    Mit uns meinte er die Katholiken – auch den König, der vor vielen Jahren seinem protestantischen Glauben abgeschworen hatte und zum Katholizismus übergetreten war, nachdem seine erste Hochzeit mit Margot von Valois in einem Massaker an den Hugenotten endete. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass die Hugenotten einen Aufstand planten, gerade nachdem endlich
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