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Blutrote Lilien

Blutrote Lilien

Titel: Blutrote Lilien
Autoren: Kathleen Weise
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hereinbrachten. Koffer über Koffer, Hutschachtel über Hutschachtel und Stiefel über Stiefel. Die Reihe schien kein Ende zu nehmen.
    Nachdem die Diener ein drittes Mal hereingekommen waren, hob Vater eine Augenbraue und sah mich vorwurfsvoll an, aber ich zuckte nur mit den Schultern. In Chantilly war ich noch der Meinung gewesen, dass ich jedes Kleid, jeden Hut und jedes Paar Stiefel unbedingt brauchte. Jetzt schien mir die Menge der Sachen, die ich eingepackt hatte, unter Umständen auch ein wenig übertrieben. Vor allem, wenn man bedachte, dass ich mir in Paris ein paar neue Kleider schneidern lassen musste, schließlich konnte ich am Hof nicht nur die alten Sachen tragen, die bereits dünne Stellen hatten.
    Vater schüttelte nur den Kopf und murmelte: »Frauenzimmer. Ein Vermögen ...«, während Orson durch die Räume tapste und alles beschnüffelte. Auch die Schuhe der Diener, die beim Anblick seines riesigen Schädels erschrocken die Füße zurückzogen.
    Kurz darauf erschien Manon. Nachdem sie Vater gegrüßt hatte, verschwand sie im Ankleidezimmer, um die Koffer auszupacken. Die Handschuhe, die ich ihr geliehen hatte, legte sie unauffällig auf einer Kommode ab. Wahrscheinlich war sie inzwischen ein Eisklotz geworden, daher befahl ich einem Diener, ihr ebenfalls eine Schüssel Suppe hinüberzubringen. Danach saßen wir wieder schweigend, während mir die Suppe den Bauch wärmte und sich eine angenehme Schwere meiner Glieder bemächtigte.
    Doch je länger wir schwiegen, desto nervöser wurde ich wieder. Ich wartete darauf, dass Vater etwas sagte, denn sein Schweigen war mir fremd. In Chantilly hatte er immer viel mit mir geredet, doch hier schien er zu zögern. Lag es an mir oder war es dieser Ort, der so gewaltig war und dessen Mauern uns einschlossen? Eigentlich hatte ich erwartet, dass er nach Bertha fragen würde und nach den Jagdhunden, seinem ganzen Stolz, und wie sich die jungen Falken machten. Aber keine Frage kam über seine Lippen.
    Erst nachdem ich die Hälfte des Tellers geleert hatte und der Glühwein mir eine prickelnde Wärme in den Bauch gelegt hatte, sagte Vater endlich: »Heute kannst du dich einfinden, morgen werde ich dich dann in deine neuen Aufgaben einführen. Du wirst gemeinsam mit Sophie de Rohan-Montbazon unterrichtet, die ebenfalls erst vor Kurzem eingetroffen ist und am Hof eingeführt werden soll. Sie ist wohl in deinem Alter.«
    Vom Sofa her war ein verächtliches Schnauben zu hören.
    »Was ist?«, fragte ich und drehte mich zu Henri um, der gelangweilt ein Bein über die Sofalehne gelegt hatte und mit der Stiefelspitze gegen den Holzrahmen klopfte.
    Tack.
    Tack.
    Tack .
    »Das Fass stinkt immer nach dem Hering«, antwortete er schließlich und Vater ließ die Faust auf den Tisch krachen.
    Erschrocken fuhr ich zusammen. Die beiden maßen sich mit Blicken, bis Henri als Erster wegschaute und die Schultern sinken ließ.
    »Langsam habe ich wirklich genug von Euren Reden, Sohn. Sie sind nicht nur töricht, sondern auch gefährlich. Wollt Ihr, dass der König davon erfährt, wie Ihr über einige seiner Favoriten sprecht? Ihr solltet Euch ein wenig zurückhalten, auch wenn es Euch nicht gefällt, dass der König den Hugenotten Ämter und Titel verleiht.«
    Mein Blick wanderte zu den Türen, hinter denen die Diener in Livree standen und alles hörten, was über ein Flüstern hinausging. Im Louvre war man nie allein und das Geschwätz der Diener hatte schon so manchen zu Fall gebracht.
    Ich begriff, dass Henri und Vater nicht zum ersten Mal über das Thema stritten. In der Zeit fern von Chantilly schien sich einiges zwischen ihnen verändert zu haben, das mir entgangen war, denn in seinen Briefen hatte Henri nie angedeutet, dass es Streit zwischen ihnen gab. Es war nicht immer einfach, mit Vater zu reden, besonders, wenn er einmal etwas festgelegt hatte, aber auch Henri war oft stur. Schon als kleines Kind hatte er oft stundenlang aus Trotz geweint, bis er bekam, was er wollte.
    Vater behauptete immer, dieses Temperament hätten Henri und ich von unserer Mutter geerbt. Sie war schon seit vielen Jahren tot und Vater war inzwischen neu vermählt. Ich hatte meine Mutter kaum gekannt und glaubte sie auch nicht zu vermissen, nur in Momenten wie diesem fragte ich mich, was sie wohl dazu gesagt hätte. Wenn sie noch am Leben wäre, würde sie jetzt bei mir sitzen und mir sagen, dass alles gut werden würde? Dass ich keine Angst vor der Zukunft haben müsse? Die Gelegenheiten, bei denen unser
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