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Blutrot wie die Wahrheit

Blutrot wie die Wahrheit

Titel: Blutrot wie die Wahrheit
Autoren: P.B. RYAN
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dann nur, um mich wissen zu lassen, wie satt er uns dahergelaufene Iren hat, die den richtigen Amerikanern die besten Arbeitsplätze wegnehmen, weil wir nämlich allesamt vor Kurtz buckeln und dienern und ihm die Stiefel lecken.“
    Genau so dachten auch die meisten der Hewittschen Dienstboten über sie, ging es Nell durch den Kopf – dass sie sich irgendwie Violas Gunst erschlichen habe, damit die ihr eine Stelle gebe, die sie lächerlich weit über das erhob, was ihr eigentlich zustünde. „Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen“, versicherte Nell dem Detective, „dass Sie jemandem die Stiefel lecken, und sei es der Polizeipräsident höchstpersönlich.“
    Cook lachte leise und nahm einen Schluck Tee. „Und Sie wollen wirklich keinen?“, fragte er und deutete auf seine Tasse.
    Sie schüttelte den Kopf. „Dann könnte ich nicht schlafen.“ Aber wahrscheinlich würde sie heute ohnehin sehr lange wach liegen und sich darüber den Kopf zerbrechen, wie sie Brady beibringen sollte, dass seine Nichte nun auch offiziell schuldig befunden worden war, eine Diebin und Mörderin zu sein.
    â€žSkinner und seine Leute“, fuhr Cook fort, „also praktisch alle Detectives aus unserer Abteilung, würden mir ja nicht mal die Uhrzeit sagen. Dasselbe gilt übrigens auch für die andern hier in der Behörde – den stellvertretenden Präsidenten, die Schreiber, Vollzugsbeamten, Superintendents … Oh nein, stimmt ja gar nicht: Der Superintendent von Pawnbrokers ist in Ordnung – netter Kerl namens Ebenezer Shute. Bevor ich Mrs. Cook geheiratet und mit dem Trinken ganz aufgehört habe, haben wir uns öfter mal zusammen ein Pint genehmigt. Ach ja … jetzt sehe ich ihn allerdings kaum noch, weil er natürlich tagsüber Dienst hat.“ Cook seufzte.
    â€žKurtz selbst muss aber doch sehr viel von Ihnen halten“, meinte Nell, „sonst wären Sie ja wohl kaum hier.“
    â€žSchon, aber wissen Sie, das macht mich bei den andern auch nicht gerade beliebter. Ach, zum Teufel mit denen!“, meinte er und hob seine Tasse. „Im nächsten Leben wird’s ihnen vergolten werden.“
    â€žWar Detective Skinner noch hier, als Sie heute Nachmittag zur Arbeit kamen?“, fragte sie.
    â€žJa, war er. Noch ungefähr eine Stunde. Sein Büro ist ja gleich nebenan.“ Cook deutete mit dem Kopf linkerhand von Nell. Die Wand, ebenso wie die schmale Tür in der Mitte, waren dicht mit Fotografien, markierten Karten, Zetteln, Flugblättern, vergilbten Zeitungsartikeln und Suchplakaten gepflastert. „Sind keineswegs so dick, wie sie aussehen, diese Wände“, bemerkte Cook. „Man hört ganz schön viel von nebenan, weshalb man sich auch kaum noch auf seine Arbeit konzentrieren kann, wenn Skinner da drin mit jemandem spricht.“
    Nell horchte auf. „Sie meinen, Sie bekommen jedes Wort mit, was da geredet wird?“
    â€žNein, nein …“, wiegelte Cook ab, „nur, wenn sie ganz laut werden, bei einem Streit oder so. Ansonsten bekomme ich nur gedämpftes Stimmengewirr mit. Verstehen kann ich da nichts. Lenkt aber trotzdem ganz schön ab, kann ich Ihnen sagen.“
    â€žHaben Sie zufällig mitbekommen, ob ihn heute Nachmittag jemand aufgesucht hat?“, wollte Nell wissen.
    â€žNatürlich. Seine Bürotür vorn auf den Gang raus hat ein Fenster – so wie meine auch. Als ich hier ankam, war gerade dieser Paragrafenreiter, der Mrs. Kimball vertritt, bei ihm drin.“
    â€žOrville Pratt?“
    â€žGenau der. Und als Skinner mich auf dem Gang vorbeigehen sieht, steht er auf und lässt die Jalousie runter, als hätte er Angst, ich könnte mich hinstellen und ihm jedes Wort von den Lippen ablesen. Elendes kleines Frettchen.“
    â€žKonnten Sie denn etwas durch die Wand hören?“
    â€žNee, die haben ganz leise gesprochen. So weit ich weiß, war das auch kein außergewöhnlicher Besuch. Pratt war ja nun mal der Anwalt des Opfers. Ich habe nur gestutzt, weil Skinner es so eilig hatte, die Jalousie runterzulassen, als ob da etwas nicht mit rechten Dingen zugehen würde. Bei jedem anderen Anwalt hätte ich mir selbst da wohl noch nichts bei gedacht, aber Orville Pratt war mir noch nie ganz geheuer. Er ist einer der reichsten Männer Bostons – ach was, wahrscheinlich einer der reichsten im ganzen Land –, und da
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