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Blutmusik

Blutmusik

Titel: Blutmusik
Autoren: Greg Bear
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überstürzt
zu handeln. Bis jetzt, dachte er zu seinen Schöpfungen, habt ihr
es leicht gehabt. Sitzt in eurem Serum und furzt herum und absorbiert
alle Hormone, die ihr braucht. Müßt nicht mal für
euren Lebensunterhalt arbeiten. Keine strengen Tests, kein
Streß. Keine Notwendigkeit, von dem Gebrauch zu machen, was ich
euch mitgab.
    Was also sollte er tun? Sie in ihrer natürlichen Umgebung
arbeiten lassen? Indem er sie sich selbst injizierte, könnte er
sie hinausschmuggeln und später genug von ihnen wiedergewinnen,
um das Experiment neu zu beginnen.
    »He, Vergil!« Ernesto Villar klopfte an den
Türrahmen und steckte den Kopf herein. »Wir haben den Film
von der Rattenarterie. Wir kommen in Zimmer 233 zusammen.« Er
trommelte mit den Fingern an den Türrahmen und lächelte
strahlend. »Sie sind eingeladen. Wir brauchen unseren
hauseigenen Schlaumeier.«
    Vergil ließ die Spritze sinken und blickte ins Leere.
    »Vergil?«
    »Ich werde kommen«, sagte er mit tonloser Stimme.
    »Lassen Sie sich nicht zu lange Zeit«, sagte Villar.
»Wir werden mit der Premiere nicht lange warten.« Er
verschwand aus der Türöffnung. Vergil lauschte den sich
entfernenden Schritten.
    Wirklich, es war übereilt. Er steckte die Kanüle wieder
durch den Wattestöpsel, spritzte das Serum zurück ins
Reagenzglas und legte die Spritze in ein Alkoholbad.
    Darauf steckte er das Reagenzglas wieder in das Kunststoffkissen
und tat es in den Kühlschrank. Bisher waren die Spinnerflasche
und das Kissen mit Reagenzgläsern lediglich mit seinem Namen
gekennzeichnet gewesen. Nun zog er das Namensetikett ab und ersetzte
es durch ein anderes mit der Aufschrift: BIOCHIP-PROTEINMUSTER;
LABORVERSAGER 21-32. Die Flasche beklebte er mit einem anderen
Etikett: RATTEN-ANTI-GEN, LABORVERSAGER 13-14. Niemand würde
sich an anonymen und nicht analysierten Laborversagern vergreifen.
Versager waren, sofern sie nicht gleich der Vernichtung anheimfielen,
bis zu ihrer Analyse unantastbar.
    Er brauchte Zeit zum Nachdenken.
    Rothwild und zehn am MAB-Projekt beteiligte Wissenschaftler hatten
sich in Zimmer 233, einem leeren Laborraum, der gegenwärtig
für Zusammenkünfte genutzt wurde, vor einem
Großbildempfänger versammelt. Rothwild war ein adretter,
gewandter Bursche, der als Kontrolleur und Mittler zwischen
Geschäftsleitung und den Forschungsabteilungen diente. Er stand
neben dem Bildschirm, elegant in beigefarbenem Jackett und
schokoladenbrauner Hose. Villar bot Vergil einen avocadogrünen
Plastikstuhl an, und er setzte sich in die hintere Reihe, schlug die
Beine übereinander und verschränkte die Hände hinter
dem Kopf.
    Rothwild sprach die einleitenden Worte. »Dies ist der
Zusammenschnitt unseres Gemeinschaftsprodukts E-64. Sie alle haben
daran mitgearbeitet…« Er warf Vergil einen ungewissen Blick
zu. »Und nun können Sie alle an dem… äh, dem
Triumph teilnehmen. Ich glaube, wir können es getrost so
nennen.
    E-64 ist der Prototyp eines für Forschungszwecke entwickelten
Biochips, mit einem Durchmesser von dreihundert Mikrometern, Protein
auf einem Silikonsubstrat, empfindlich für siebenundvierzig
verschiedene Varianten der Blutzusammensetzung.« Er
räusperte sich. Sie alle wußten das, aber dies war eine
Gelegenheit, wo die entscheidenden Daten ins Gedächtnis
zurückgerufen werden mußten. »Am 10. Mai setzten wir
E-64 in eine Rattenarterie ein, verschlossen den sehr kleinen
Einschnitt und ließen es durch die Arterie passieren, soweit es
gehen würde. Die Reise dauerte fünf Sekunden. Dann wurde
die Ratte geopfert und der Biochip geborgen. Seither haben Terence
und seine Gruppe die Informationen des Biochips entschlüsselt
und die Ergebnisse ausgewertet. Indem wir sie durch ein spezielles
Simulationsprogramm sichtbar machten, konnten wir einen kleinen Film
von der Reise produzieren.«
    Er winkte Ernesto zu, der einen Knopf am Videorekorder bediente.
Computergrafik flimmerte über den Bildschirm: Genetrons
beliebtes Firmenzeichen, stilisierte Signaturen der am
Simulationsprogramm Beteiligten, dann folgte Dunkelheit. Ernesto
schaltete die Raumbeleuchtung aus.
    Ein rosa Kreis erschien auf dem Bildschirm, expandierte und
verformte sich zu einem unregelmäßigen Oval. Weitere
Kreise erschienen in dem ersten. »Wir haben die Reise um das
Sechsfache verlangsamt«, erläuterte Rothwild. »Und um
die Dinge zu vereinfachen, haben wir die Ablesungen der chemischen
Konzentrationen im Blut der Ratte eliminiert.«
    Vergil beugte sich auf seinem Stuhl
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