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Blutmond - Wilsberg trifft Pia Petry - Kriminalroman

Blutmond - Wilsberg trifft Pia Petry - Kriminalroman

Titel: Blutmond - Wilsberg trifft Pia Petry - Kriminalroman
Autoren: Grafit
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hätte ich doch bloß meine Klappe gehalten. Ich sitze in der Höhle des Löwen, esse gemütlich Rindersteaks, trinke Unmengen von Rotwein und lege mal so eben meine Karten auf den Tisch. Als ginge es um nichts. Das ist, als würde man einem Entführer die Maske vom Gesicht reißen und erwarten, dass er einen danach noch am Leben lässt.
    »Nein, nein«, sage ich und versuche, ruhig und harmlos zu klingen, »ich habe sie nicht gesehen. Ein Bekannter hat sie gesehen und der hat sie mir beschrieben. Und der hat sie so genau beschrieben, dass ich das Gefühl habe, ich hätte sie selbst gesehen.«
    Was für einen Schafscheiß erzähle ich da nur? Das glaubt doch kein Mensch.
    »Ich müsste mal kurz telefonieren«, sage ich und stehe auf. Götz' Handy liegt auf dem Esstisch. Wie in Zeitlupe bewege ich mich darauf zu, mit Schweißperlen auf der Stirn, so groß wie Glasmurmeln. Ich bete zu Gott, dass Götz eine lange Leitung oder den Intellekt eines Kaninchens hat. Dass der liebe Gott mir Hilfe oder eine Eingebung schickt. Dass ein Erdbeben, ein Tornado oder ein Blizzard Münster heimsuchen möge und mir die Gelegenheit zur Flucht gibt.
    Nichts davon geschieht und dennoch erreiche ich das Telefon, ohne dass Götz versucht hätte, mich daran zu hindern. Aber ich spüre seinen Blick wie eine Pfeilspitze in meinem Rücken. Mit zittrigen Fingern tippe ich Wilsbergs Nummer ein und lasse es klingeln. Einmal. Dann höre ich Götz' Stimme, die durch die Nebelwand meiner Panik hindurch ganz langsam in mein Bewusstsein einsickert.
    »Hab ich dir erlaubt, mein Telefon zu benutzen?«
    Er nimmt mir das Handy aus der Hand, freundlich lächelnd, steckt es in seinen Hosenbund, immer noch freundlich lächelnd. Und dann schlägt er mir mit der Faust ins Gesicht.
    Der Schmerz ist unvorstellbar. Aber ich kann noch nicht einmal schreien, so tief sitzt der Schock. Götz greift in meine Haare und zerrt mich hinter sich her, durch das Wohnzimmer, durch den Flur, zu der Stahltür, von der ich annahm, dass sie in den Keller führt.
    Sie führt in den Keller. Eine steile, schmale Treppe hinunter, die ich kaum erkennen kann, weil ich fast nichts mehr sehe. Mein Gesicht ist voller Blut. Ich schätze, die rechte Augenbraue ist aufgeplatzt. Völlig paralysiert stolpere ich die Stufen hinunter, in dem Gefühl, dass nicht real sein kann, was da gerade passiert. Noch nie in meinem Leben bin ich mit so hemmungsloser Gewalt konfrontiert worden. Noch nie habe ich die körperliche Überlegenheit eines anderen Menschen derart brutal zu spüren bekommen.
    Götz gibt mir einen Stoß. Ich stolpere, kann mich aber wieder fangen. Drei Stufen weiter gibt er mir erneut einen Stoß.
    Diesmal falle ich.
     
    Ich muss ohnmächtig gewesen sein. Anders lässt sich nicht erklären, wie ich auf diese verdammte Streckbank geraten bin. An Händen und Füßen gefesselt, mit nichts weiter am Leib als Slip und BH. Mühsam versuche ich, mich zu erinnern. Versuche ich, zu dem Punkt zurückzufinden, an dem ich das Bewusstsein verloren habe. Das ist unglaublich anstrengend. Mir ist, als müsste ich durch einen Tunnel. Als müsste ich mich durch etwas fürchterlich Dunkles, Dickflüssiges hindurcharbeiten, um in mein Leben zurückzufinden. Es dauert, bis sich das Puzzle zusammensetzt. Götz! Er hat mich die Treppe hinuntergestoßen. Das weiß ich wieder. Ich bin gefallen, habe versucht, mich abzurollen, und konnte trotzdem nicht verhindern, mit dem Knie auf dem Betonboden aufzuschlagen. Der Schmerz schoss wie eine Pistolenkugel durch mein Bein. Danach setzt meine Erinnerung aus. War das der Moment, in dem ich ohnmächtig wurde?
    Ich spüre, dass ich nicht allein bin. Leider kann ich nicht besonders gut sehen. Mein rechtes Auge ist völlig verklebt. Immerhin gelingt es mir mit ein bisschen Anstrengung, die Umrisse eines Mannes zu erkennen. Er steht auf der gegenüberliegenden Seite im Halbdunkel und beobachtet mich. Wie ein Wissenschaftler ein Versuchstier. Dann macht er einen Schritt nach vorn. Ins Licht.
    »Ich habe Schmerzen«, sage ich.
    Er reagiert nicht. Sein Gesicht ist so ausdruckslos wie ein Stück Papier.
    »Verdammt, Götz! Ich brauche einen Arzt.«
    Keine Antwort.
    Eine Welle aus Panik und Verzweiflung schlägt über mir zusammen und presst mir die Luft aus dem Körper.
    »Mach mich los! Sofort!« Ich zerre an den Lederriemen, mit denen ich festgebunden bin.
    Doch Götz rührt sich nicht. Er sieht zu mir herüber, als böte ich ein Schauspiel, für das er bezahlt hat. Als
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