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Blutköder

Blutköder

Titel: Blutköder
Autoren: Nevada Barr
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oder geistreiche Konversation verspeisten die drei ihre gefriergetrocknete Lasagne und krochen dann in ihre Schlafsäcke. Rory, der im Nachbarzelt schlief, wälzte sich, unruhig und von Geräuschen begleitet, herum. Anna lag neben Joan, kratzte ihre Insektenstiche und fragte sich, ob wohl alle Paradiese auf Erden einen Haken hatten und ob es die Suppe ohne das sprichwörtliche Haar darin überhaupt gab. Dennoch fühlte sie sich ungewöhnlich glücklich. Im Laufe der Zeit waren Wände aus Stoffbahnen und ein harter Boden für sie zu Symbolen der Freiheit geworden, die sie geistig entspannten und ihre Seele beruhigten, wie es ein warmes Bett nie vermocht hätte.
    Der Schlaf senkte sich über sie, und sie ließ bereitwillig los.
    Die Falle, die sie am nächsten Morgen überprüfen mussten, befand sich an dem wohl ungünstigsten Ort, den die Natur und Wissenschaftler sich hatten erdenken können. Der Glacier National Park war von Lawinenrinnen durchzogen. Diese waren im Laufe vieler Jahre entstanden, wenn der Schnee im Frühjahr weich wurde und, gezogen von seinem eigenen Gewicht, diese natürlichen Rutschbahnen hinunterglitt. Da Schnee und Eis die Rinnen von größeren Pflanzen befreiten, gab es nur wenig, das die von Geröll durchsetzte Erde an den steilen Felswänden gehalten hätte. Regnete es dann, folgte auf die Lawinen meist ein Erdrutsch.
    Nur schnell wachsende und anpassungsfähige Pflanzen, die sich ständig erneuerten, konnten unter diesen unwirtlichen Bedingungen überleben. Aus der Entfernung wirkten die Rinnen wie hellgrüne Falten im dunkelgrünen Gewand des Berges: fast kahl und höchstens kniehoch bewachsen. Aus der Nähe waren sie von einer mannshohen, bunten Pflanzenwelt erfüllt: rote Wucherblumen, lavendelfarbenes Flohkraut, grellrosa Feuerkraut, weißer Bärenklau, zartgrüner Nieswurz, kräftig rote Traubenkirschen, weißes Christuskraut mit perlenförmigen Beeren, dunkelviolette Heidelbeeren, leuchtend gelbe Butterblumen und Arnika. Die Bären hatten eine Vorliebe für die Beeren sowie für Bärenklau und Nieswurz. Eine wahre Salatbar also und deshalb der optimale Platz für die Falle.
    Die Falle selbst war genial einfach. Fünfundzwanzig Meter Stacheldraht wurden in einer Höhe von fünfzig Zentimetern über dem Boden zwischen mehrere Bäume oder, wie hier, zwischen einem Baum, einem Felsen, einem Baumstumpf und einem weiteren Baum gespannt. In diesem angedeuteten Pferch, in dem ein einzelner sieben Meter hoher Schössling wuchs, verstreute man willkürlich verrottete Holzstückchen.
    »Was hältst du davon?«, fragte Joan.
    Ihr Tonfall war so stolz, dass Anna sich das Hirn nach einer anerkennenden Bemerkung zermarterte. »Es stinkt nicht«, setzte sie an.
    »Genau!«, rief Joan aus, als wäre Anna eine außergewöhnlich begabte Schülerin. Die Forscherin ließ sich auf einen Felsen plumpsen, stützte das Gewicht des Rucksacks darauf und schlüpfte aus den Schulterriemen. »Der Geruch des DNA mits …«
    » DNAmit? Soll das ein Witz sein?«, entsetzte sich Rory.
    »So nennen wir den Blutköder«, gestand Joan.
    »Mir würden da ein paar drastischere Bezeichnungen einfallen«, merkte Anna an.
    »Seid dankbar für DNA mit«, meinte Joan. »Wir haben es mit Honigschleim – eine Mischung aus Blut, Fisch und Bananen – und mit Blinkies Untergang – eine Kombination aus Fischblut und Fenchelöl – versucht. Mein Lieblingsrezept namens Schlachtplatte, flüssig, setzt sich aus Blut, Käseextrakt und zermahlenem Schilf zusammen. Außerdem gab es da auch noch Vicks VapoRub aus Blut, Anis und Pfefferminze.«
    »Mir gefällt DNA mit zunehmend besser«, stellte Anna fest.
    »Wie dem auch sei«, kehrte Joan zu ihrem ursprünglichen Thema zurück. »Der Geruch legt sich nach einer Woche bis zehn Tagen. Der Liebesduft hält noch kürzer vor.«
    »Der Stinktiergeruch in der Filmdose«, sagte Rory. Auch er legte den Rucksack ab. Anna folgte seinem Beispiel.
    »Richtig!«, begeisterte sich Joan. Zwei gelehrige Schüler an einem Tag. »Nur, dass das hier Kirschduft ist. Alle zwei Wochen ändern wir die Duftnote. Bären sind hochintelligent. Sie brauchen nur einen einzigen Anlauf, um etwas zu lernen. Und sie bringen es ihren Jungen bei, normalerweise in einer Lektion, die sie sich ein Leben lang merken. Die Bären werden vom DNA mit angelockt und wälzen sich ordentlich, werden aber nicht mit Futter belohnt, weil wir nicht wollen, dass sie sich an die Fallen als Nahrungsquellen gewöhnen. Also zeigen sie sich,
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