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Blutkirsche

Blutkirsche

Titel: Blutkirsche
Autoren: Gudrun Weitbrecht
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neunundvierzig, sie wirkte jünger – vorausgesetzt sie bekam genug Schlaf. Und wenn sie noch ein wenig Diät hielt ...
    |7| In der Küche ließ Anne einen doppelten Espresso durch die Maschine laufen, ging zurück in ihr Schlafzimmer und schaltete den Computer an, dann loggte sie sich per Passwort in den Server ihrer Abteilung ein. Sie zog die Fälle hervor, denen sie als Patin zugeteilt war, und verglich die Daten aus verschiedenen Akten. Besonders der vier Jahre zurückliegende Fall des ermordeten Neugeborenen, das auf dem städtischen Kompostierplatz in Zuffenhausen von Arbeitern beim Umsetzen des Grüngutes gefunden worden war, ließ ihr keine Ruhe.
    Ihre Kollegen und sie hatten wochenlang alles getan, was die Fahndung leisten konnte. Forensische Daten gesichert, Zeugen befragt, Spuren verfolgt, aber es war bis jetzt umsonst gewesen. Die Mutter des Babys blieb unauffindbar. Die Akte über dieses Verbrechen landete in den ungelösten ,kalten Fällen‘.
    Der Tod war bei der Mordkommission alltäglich, aber dieses gewaltsame Ende eines Säuglings – es war eine Frühgeburt von sieben Monaten und hatte nach der Geburt gelebt – erschütterte Anne noch immer.
    Seit einiger Zeit verkraftete Anne die Gedanken an dieses sinnlose Sterben nicht mehr so professionell wie früher. Sie sah täglich, wie nah Leben und Tod beieinanderlagen, trotzdem musste sie versuchen, mit sich und der Welt im Reinen zu sein. Und nun waren vor kurzem wieder zwei Neugeborene gefunden worden. Eines in der Sortieranlage einer Recyclingfirma. Einfach entsorgt wie Müll! Der andere Säugling war zwischen einer Hecke vor dem Friedhof in Möhringen gefunden worden. Wer ging so mit einem schutzlosen Lebewesen um? Kinder wurden in den Neckar geworfen, in der Badewanne ertränkt. Oder jahrelang in Tiefkühltruhen und in Blumentöpfen versteckt.
    Warum töteten Mütter ihre Kinder? Anne wusste, dass manche Frauen psychisch krank waren, andere aus der Drogen- oder Obdachlosenszene kamen. Vergewaltigungsopfer waren dabei, Frauen in schwierigen Beziehungen.
    Vielleicht waren es auch Frauen, die in ihrer Kindheit keine elterliche Liebe erfahren hatten.
     
    Keinen Stress mehr, hatte der Arzt Mike nach seinem Hörsturz empfohlen. Und was schien stressfreier zu sein, als sich unter freiem Himmel körperlich zu betätigen und das Produkt seiner Arbeit zu sehen.
    Da er für seine Firma oft auf Geschäftsreisen unterwegs war, blieb ihm keine Zeit für ein eigenes Haus mit Garten, geschweige dessen Pflege, niemand hätte sich während seiner Abwesenheit darum gekümmert. |8| Er war Single geblieben, nicht aus Überzeugung, er fand einfach keine Frau, die seinen Ansprüchen genügte. Und die, die ihn mochten, die fand er nicht attraktiv genug. Inzwischen hatte er sich an das Junggesellendasein gewöhnt. Es gab auch Vorteile, so musste er sich nach niemandem richten und konnte tun und lassen, was er wollte.
    Er überlegte, ein Gartengrundstück zu kaufen, aber solange es kein Baugrund wurde, blieb dies verlorenes Kapital. Die Abfindung seiner Firma würde er auf jeden Fall anlegen. Aber erst einmal abwarten. Sein Anwalt stritt immer noch mit der Geschäftsleitung über die Höhe, auch über die ihm eigentlich zustehende Betriebsrente. Der Kleingartenverein mit den Pachtgärten schien Mike die vernünftigere Alternative. Aber hätte er vorher gewusst, was alles auf ihn zukommen würde, hätte er es sich zweimal überlegt.
    Mike liebte die Morgenstunden und hoffte, dass er mindestens bis zehn Uhr seine Ruhe haben würde. Am Freitagabend war das Kirschblütenfest schon in vollem Gange gewesen. Bier und Trollinger flossen in Strömen, sicher schliefen nun alle ihren Rausch aus. Mike hatte nur kurz ins Festzelt gesehen. Bierselige Kumpanei war noch nie sein Ding gewesen. Seine Hoffnung, die attraktive Gartennachbarin Wilma aus Nummer 11 dort zu treffen, wurde enttäuscht. Aber eigentlich hatte er das nicht geglaubt, sie hielt sich immer sehr zurück. Schade, sie gefiel ihm. Schlanke Beine, dunkle lange Haare, blaue Augen und ein wohlgeformter Körper. Gepflegter Garten. Zumindest in dieser Hinsicht würde Wilma gut zu ihm passen.
    Obwohl er auf einem Ohr fast taub war, musste Mike bis in die Nacht hinein zu den Klängen eines Akkordeons die Sparversion der Volksmusik-Hitparade ertragen. Schnulzen wie ‚Schatzilein, komm geh mit mir‘ und ‚Schwarzbraun ist die Haselnuss‘ schallten bis in seinen Garten.
     
    Auf dem Weg zu seiner Parzelle bemerkte er an der
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