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Blutkirsche

Blutkirsche

Titel: Blutkirsche
Autoren: Gudrun Weitbrecht
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kurz mit einem Desinfektionsmittel ein und hängte das Gerät im Schuppen auf. Trotz seiner Steinlaternen war es in der Nacht zu dunkel gewesen. Die Parzellen verfügten über keinen Strom – Mike war froh darüber, sonst würden überall Fernseher oder Radios laufen und die Ruhe stören. Er zog die Handschuhe aus und stülpte sie über einen verblühten Zweig der japanischen Zierkirsche. Mit dem Rechen zog er die schlangenförmigen Linien im Kies nach. Kurz danach duschte er kalt, zog seine Straßenkleidung wieder an und verschloss die Laube, deren Pagodendach wie Jade in der Morgensonne glänzte. Mike verließ den Garten durch das Tor, an dem eine rote 15 in Kalligrafie prangte. Auf dem Weg zum Parkplatz sah er, dass die anderen Stückle noch verwaist waren. Wilma schien nicht da zu sein, vom Hauptweg aus bemerkte er, dass die Fensterläden ihrer Hütte noch geschlossen waren. Auch Frau Möhrle, seine Gartennachbarin in Nummer 14 konnte er nicht entdecken. Sonst wäre sie ihm in ihrer geblümten Kittelschürze schon von weitem aufgefallen. Meistens sah er sowieso nur ihren Hintern, den sie ihm beim Hacken entgegenstreckte. Eigentlich kannte er sie nicht richtig.
    |11| Irgendwie ist es wie die Ruhe vor dem Sturm, dachte Mike. Er stieg in seinen Saab und fuhr zügig die schmale Grünewaldstraße hinunter.
    Auf halber Strecke kam ihm Albert Rösler zu Fuß entgegen. Mike drückte kurz auf die Hupe. Sein Gartennachbar hob seine Hand so langsam, als ob ihm jede kleinste Bewegung zu viel sei.

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    |12| 2
    Günther Wöhrhaus wachte verkatert auf und schaute auf die antike englische Schreibtischuhr. Erst kurz nach sechs. Er hatte auf dem Ledersofa schlecht geschlafen – kein Wunder! Nach dem Telefonat am gestrigen Vormittag mit seiner Hausbank, bei dem er einen Aufschub und einen neuen Kredit verlangt hatte, und der Sachbearbeiter nur laut höhnisch auflachte, saß er bis in die Nacht hinein über seinen Konten. Der siebzig Meter hohe Glastower, in dem sich sein Büro befand, lag an der Heilbronner Straße und trug ein imposantes Dachsegel. Eine stählerne Fußgängerbrücke auf der linken Seite des Hochhauses überspannte die Eisenbahngleise bis in den Rosensteinpark. Die Brücke gegenüber führte an der Stadtbahnhaltestelle zum Wartberg ins ehemalige Gebiet der Internationalen Gartenausstellung. Aber hier oben hörte er die Züge und Stadtbahn nicht. Von seinem Fenster im oberen Stockwerk – Ausblick, Weitblick, Rundblick – sah er auf seinen Claim, die Baugrundstücke von Stuttgart 21. Jedes Mal, wenn er hinausschaute, sank seine Laune ins Bodenlose, so bodenlos wie das Minus auf seinen Konten.
    Ausgerechnet jetzt gähnte auch in seinem Humidor die Leere, er hatte alle Cohibas aufgeraucht und so musste er sich gestern mit mehreren Gläsern Glen Elgin, dem sauteuren Manager-Choice-Whisky begnügen. Er war danach einfach zu müde gewesen, um nach Hause zu fahren, und hatte sich aufs Ohr gelegt. Bevor seine Sekretärin am Montag kam – er schuldete ihr zwar nur einen Monatslohn, aber sie sah ihn schon ganz misstrauisch an – musste er unbedingt die brisanten Ordner im Computer verschlüsseln.
    Da zur Büroetage auch ein komfortabler Waschraum gehörte, konnte er sich nachher frisch machen. Später würde er in einer Espressobar in der Innenstadt frühstücken.
    Es sah nicht gut aus, im Gegenteil. Wenn jetzt nicht ein Wunder geschah, würde er Insolvenz anmelden müssen. Er machte sich Sorgen, aber weder um seine Arbeiter auf den Baustellen noch kümmerten ihn die Büroangestellten, denen er sogar drei Monatsgehälter schuldete, oder deren fällige Beiträge zur Krankenkasse und Rentenversicherung – er machte sich Sorgen um sich. Was würde aus ihm werden, wer würde zu |13| ihm halten, wenn er kein Geld mehr hatte, wenn es rauskäme? Seine Parteifreunde wohl eher nicht, die ließen ihn fallen und seinen schon angemeldeten Anspruch auf ein Bundestagsmandat ignorieren. Nichts war so schnelllebig wie eine politische Karriere.
    Die paar Euro, die er in der Schweiz gebunkert hatte, lagen gut, er wollte sie nicht anrühren. Der Insolvenzverwalter und der Fiskus würden sich riesig freuen, wenn plötzlich Geld auftauchte.
    Wenn er seinen Lebensstil beibehalten wollte, musste er Geld auftreiben, aber wo?
    Sein Loft, das er im Westen in einem ehemaligen Fabrikgebäude gebaut hatte, belasteten Hypotheken. Der Porsche stand in der Garage eines Pfandhauses. Seinen Mercedes brauchte er.
    Sparen, aber wie? Am
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