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Blutiges Echo (German Edition)

Blutiges Echo (German Edition)

Titel: Blutiges Echo (German Edition)
Autoren: Joe R. Lansdale
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Vater das Verhalten von Mr Barnhouse – und tat sich selber leid.
    Doch Joey jagte sein alter Herr nicht allzu viel Angst ein. Er ließ es jederzeit darauf ankommen und kassierte dann eben die Tracht Prügel. Aber jetzt war er merklich nervös.
    »Ich kriege Hausarrest«, sagte Kayla. »Kein Fernsehen, kein Telefon, nichts.«
    »Das ist nicht dasselbe wie ein Fausthieb ins Auge«, erwiderte Joey.
    »Lieber Schläge als Hausarrest«, antwortete Kayla.
    »Das sagst du nur so lange, bis du das erste Mal Dresche beziehst«, sagte Joey. »Bis mein Alter dir den Arsch versohlt; dann würdest du lieber Hausarrest bekommen. Glaub mir. Aber Harry, der würde bloß eine Standpauke kriegen, stimmt’s, Harry? Keinen Hausarrest und erst recht kein blaues Auge.«
    »Meine Eltern halten nichts von Prügelstrafe«, sagte Harry. »Und richtig schlagen würden sie mich sowieso nie. Aber Hausarrest könnte ich schon kriegen.«
    »Ach ja«, fragte Joey, »wann ist denn das schon mal passiert?«
    »Hausarrest oder nicht«, gab Harry zurück, »ich will jedenfalls nicht erwischt werden.«
    »Deine Eltern bestrafen dich nie für irgendwas«, sagte Joey.
    Das kam der Wahrheit ziemlich nahe. Seit er als Kind krank gewesen war, seit der Ohrenentzündung, stand seine Mutter schützend vor ihm wie ein Eishockeytorwart vor dem Netz. Sie fürchtete, er habe Asthma, was nicht zutraf; oder Allergien, was eventuell zutraf; oder dass er hinknallte, was ziemlich oft passierte – um alles machte sie sich Sorgen. Wenn er und sein Dad nach draußen gingen, um Baseball zu spielen, bestand sie darauf, dass er Knieschützer unter der Hose trug und einen Fahrradhelm aufsetzte.
    Einen Fahrradhelm beim Ballspielen. Das war das Letzte. Allein die Vorstellung, er würde mit Knieschonern und einem Fahrradhelm da draußen stehen, um mit seinem Vater ein paar Bälle zu werfen – also, das kam gar nicht infrage.
    Schlechter Stil, wie er einmal einen englischen Schauspieler im Fernsehen hatte sagen hören.
    Zum Glück hatte Dad ihr das ausgeredet, denn sonst hätte Harry sich gleich einen Zettel auf den Rücken kleben können: »Größtes Weichei auf der ganzen Welt. Bitte kräftig in den Arsch treten.«
    Sie standen eine Weile am Fuß des Hügels und betrachteten die Rückseite des dunklen, verlassenen Honkytonk. Auf der anderen Seite des Highways sah man die Leinwand des Autokinos. Kung-Fu-Kämpfer sprangen auf dem großen weißen Rechteck herum, rissen die Münder weit auf und stießen stumme Schreie aus.
    »Sind wir jetzt hier, um ’nen Geist zu sehen, oder nicht?«, fragte Kayla.
    »Klar sind wir das«, antwortete Harry.
    »Ich glaub eh nicht, dass es hier spukt. Mein Daddy sagt, es gibt keine Geister, und er ist Polizist.«
    »Aber mein Bruder sagt, es gibt sie wohl«, entgegnete Joey. »Ein Polizist, der kennt sich vielleicht mit Handschellen aus und mit Donuts, aber wenn es um Geister geht, hat er auch nicht mehr Ahnung als andere.«
    »Seit wann hörst du auf deinen Bruder?«, fragte Kayla. »Der hat uns auch erzählt, dass Mädchen schwanger werden, wenn man ihnen den kleinen Finger in den Hintern steckt. Also was weiß der schon?«
    »Das hat er doch nicht ernst gemeint.«
    »Ich glaube schon. So viel Dummheit trau ich ihm zu.«
    »Vielleicht stimmt es ja auch«, sagte Joey. »Beug dich doch mal vor und lass es mich ausprobieren.«
    »Wenn ich das mache, nimmst du garantiert nicht deinen Finger, das weiß ich. Bleib mir bloß vom Leib.«
    »Ihr zwei seid eklig«, sagte Harry.
    »An mir liegt’s nicht«, sagte Kayla. »Er ist der mit dem dummen Bruder.«
    So ging das eine Weile hin und her, dann schlichen sie sich auf der dunklen Seite hoch zur Kneipe. Joey griff nach dem Fensterrahmen und versuchte ihn hochzuschieben. Er bewegte sich keinen Millimeter.
    »Wir müssen die Scheibe einschlagen«, sagte Joey.
    »Ich weiß nicht«, sagte Harry. »Irgendwas kaputtzumachen gehörte nicht zu meinem Plan.«
    »Du willst doch ’nen Geist sehen, oder?«, fragte Joey. »Mann, das Ganze war doch deine Idee. Wenn ich sowieso verdroschen werde, will ich die Nummer auch durchziehen und nachgucken, was da drin los ist.«
    »Ich meine ja nur, dass wir nichts kaputtmachen sollten.«
    Kaum war Harry dieser Satz über die Lippen gekommen, schaute er zu Kayla. Sie stand im Schatten, und er sah nicht viel von ihr, aber er erkannte ihre Umrisse, und das war irgendwie aufregender, als sie in voller Beleuchtung zu sehen. Er musste es wirklich unbedingt schaffen, dass sie ihn
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