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Blutiger Sand

Blutiger Sand

Titel: Blutiger Sand
Autoren: E Kneifl
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Tribal Police haben nie was von einem Mann namens Jimmy Rattle oder ‚The Snake‘ gehört. Und ich glaube ihnen. Hierher hat sich dieses Schwein anscheinend nicht verirrt“, sagt er zu uns.
    Auf der Weiterfahrt schenkt mir Simon immer wieder verliebte Blicke, tätschelt mein Knie oder greift nach meiner Hand.
    Mir ist nicht nach Zärtlichkeiten zumute. Ich bin mir mittlerweile sicher, dass der zweite Mörder meiner Eltern noch am Leben ist. Wahrscheinlich hat er sich einen anderen Namen zugelegt.
    Beim Petrified Forest National Park macht Simon Halt.
    „Diese Gegend gehört eigentlich zur Painted Desert. Ich glaube, ihr solltet euch das ansehen. So was gibt es in Europa bestimmt nicht.“
    Orlando und ich sind fasziniert von dem versteinerten Wald. Die verkieselten Baumstümpfe, ja sogar mächtige Baumstämme glitzern wie Edelsteine.
    Wir lassen den Wagen auf dem Parkplatz stehen und Simon führt uns zu großen, groben Steinen, auf denen alte Felsritzzeichnungen sichtbar sind.
    „Wir nennen diese Steine hier Newspaper Rock. Schaut euch die Felsen dort drüben mal genauer an. Sehen sie nicht aus wie unsere Zelte? Wir haben sie Tepees genannt, wegen ihrer Kegelform, die eben an die Tepees der Prärie-Indianer erinnert.“
    Als wir auf der fünf Meilen langen Straße, die sich durch die hügelige Landschaft auf 1800 Meter Höhe hinaufwindet, weiterfahren, vorbei an weißen bis blaugrauen Tonschichten, stoße ich immer wieder erstaunte Rufe aus.
    „Blue Mesa“, sagt Simon stolz. „Unser Land. Das alles ist Navajo-Gebiet.“
    „Und hier kommt der Crystal Forest.“ Er deutet auf eine Senke, in der Baumstämme von knapp einem Meter Durchmesser liegen. Klare Quarz- und Amethystkristalle haben sich in den Hohlräumen der Stämme gebildet.
    Wir steigen kurz aus und machen Fotos.
    „Sehen tatsächlich wie Edelsteine aus“, sage ich. „Aber ich würde jetzt trotzdem gern weiterfahren.“
    „Okay.“ Simon streichelt liebevoll meinen Nacken.
    Orlando legt sich auf die Rückbank des Jeeps und schläft sofort ein. Seine Nacht mit Pat scheint ziemlich anstrengend gewesen zu sein.
    Die auf der Straße liegenden Schatten werden immer länger und länger.
    „Ich möchte euch rasch etwas zeigen“, sagt Simon und biegt Richtung Painted Desert ab.
    „Mein Gott“, seufze ich ehrfürchtig angesichts der glühenden Wüste auf dem fast 2000 Meter hoch gelegenen Colorado Plateau. Die Abendsonne lässt das einsame Land rot und gelb leuchten. Es sieht aus, als würde es brennen.
    „Deswegen haben die spanischen Eroberer dieses Gebiet ‚El desierto pintado‘ genannt“, sagt Simon.
    Selbst Orlando wirkt nun interessiert. Schließlich ist er Maler.
    Die Badlands, stark verwitterte runde Kuppen aus vielfach beschichtetem Gestein, erstrahlen in der untergehenden Sonne in allen Farben. Noch nie in meinem Leben habe ich so was Schönes gesehen. Mir kommen fast die Tränen.
    „Im Südwesten der Painted Desert hat früher ein Teil meiner Familie gelebt. Leider ist es zu spät, sonst hätte ich euch diesen Ort auch gezeigt.“
    „Bleiben wir noch ein paar Minuten. Es ist so wunderschön hier“, sage ich.
    Simon nimmt mich in die Arme und küsst mich auf den Mund.
    „Eure ewige Herumknutscherei nervt“, sagt Orlando. „Ihr führt euch auf wie zwei Siebzehnjährige.“
    Als die ersten Häuser von Flagstaff in Sicht kommen, sage ich, um Orlando von vornherein zu beruhigen: „Ich will mir das Royal Hawaiian Motel nur ansehen, möchte nicht dort übernachten.“
    „Dachte, du willst womöglich im selben Zimmer, in dem damals das Ehepaar dran glauben musste, absteigen.“
    „So pervers bin ich auch wieder nicht.“
    Das Royal Hawaiian Motel liegt am Stadtrand von Flagstaff, direkt an der Route 66. Es ist geschlossen. Die alte, halbverfallene Art-déco-Bungalow-Anlage sieht immer noch recht hübsch aus. Ist weiß gestrichen und hat kunstvolle hellblaue und ehemals goldfarbene Verzierungen über den Fenstern und Türen. Der Verputz bröckelt allerdings überall ab und viele Fenster sind kaputt oder ganz ohne Glas.
    Wir parken vor der Rezeption. Ich werfe einen Blick durch ein glasloses Fenster in eines der Zimmer gleich daneben.
    Fleckige Asbestdecke. Billige Möbel aus Spanholzplatten. Ein altmodischer Deckenventilator, eine zerrissene Chenille-Tagesdecke und alte Zeitungen am Boden – ein Quartier für Obdachlose im letzten Winter?
    „Sieht aus wie Bates Motel in ‚Psycho‘“, sagt Orlando.
    „Blödsinn! Bates Motel war ein
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