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Blutiger Klee: Roman (German Edition)

Blutiger Klee: Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Klee: Roman (German Edition)
Autoren: Marlene Faro
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kraulte das Tier am Kopf, dann näherten sie sich einträchtig dem
Haus. Eine Frau stand in der offenen Tür, Pestallozzi schätzte sie auf Mitte 30,
sie trug Jeans und einen Pullover, und sah ihm neugierig entgegen.
    »Frau Loibner?«
    Die Frau
nickte.
    »Ich bin
Chefinspektor Artur Pestallozzi, guten Tag. Sie wissen sicher, weshalb ich komme.
Befindet sich Frau Katharina Luggauer noch bei Ihnen?«
    Die Frau
nickte wieder und ergriff seine ausgestreckte Hand. »Grüß Gott. Ja, sie sitzt bei
mir in der Küche. Kommen Sie doch herein.«
    Der Hund
wollte ihnen nach, aber die Frau schüttelte den Kopf. »Chico, du musst draußen bleiben.«
    Er folgte
ihr durch einen langen Flur, der mit Steinfliesen ausgelegt und angenehm kühl war.
Schlammverkrustete Gummistiefel standen auf einer Bastmatte, und Kinderspielzeug
lag auf einer Bank. Ein säuerlicher Geruch nach Milch und Käse hing in der Luft.
Hoffentlich hat die Aufregung der alten Frau nicht zu sehr zugesetzt, dachte Pestallozzi,
und hoffentlich haben sie ihr nicht ein paar Schnäpse eingeflößt gegen den Schrecken.
Ich brauche ihre Aussage, sie ist bis jetzt unser einziger Anhaltspunkt.
    »Wie geht
es Frau Luggauer?«, fragte er leise die Frau, die gerade eine Tür mit Glasscheiben
öffnen wollte.
    Die Frau
blickte ihn an, offenkundig erstaunt über seine Frage. »Gut«, sagte sie. »Der Kathi
geht es gut.«
    Dann traten
sie in die Wohnküche, Pestallozzi blieb einen Moment lang im Türrahmen stehen. Wie
großzügig und weitläufig man am Land doch immer noch lebte. Er dachte an die Wohnungen
in der Stadt, an seine eigene, die immerhin drei Zimmer hatte und einen Balkon.
Aber diese Küche war größer als sein ganzes Wohnzimmer und das Schlafzimmer dazu,
ein Raum zum Arbeiten und zum Zusammensitzen. Alles erschien ihm gewaltig, der Herd
und die Kühltruhe, die Schränke an der Wand. Hier taute man sich keine Tiefkühllasagne
auf, hier wurde ganz bestimmt noch richtig gekocht. Auf der gekachelten Arbeitsplatte
unter dem Fenster auf der linken Seite stand eine Schüssel voller Teig, auf dem
Herd köchelte eine Suppe. Auf einem Holzbrett lagen frisch gepflückte Kräuterbüschel,
es duftete nach Thymian und Rosmarin, sogar Pestallozzi erkannte das, die Gerüche
nahmen offenbar kein Ende an diesem Tag. Die gegenüberliegende Ecke der Küche war
mit dunklen Holzpaneelen verkleidet, eine Bank stand davor und ein quadratischer
Tisch, über den eine Decke mit blauem Kreuzstichmuster gebreitet war. Schräg über
der Ecke hing ein Kruzifix, das mit Weizenähren geschmückt war. Unter dem Herrgottswinkel
saß eine alte Frau.
    Die alte
Frau hatte ganz bestimmt keinen Schnaps getrunken, Pestallozzi registrierte es mit
Erleichterung. Sie sah ihm entgegen, gefasst, abwartend. Sie trug ein dunkelgrünes
Dirndlkleid von der hochgeschlossenen Art, das keine Rüschenbluse darunter brauchte.
Ihr Haar silbrig grau und auf altmodische Art wie eine Krone in einem langen dünnen
Zopf um den Kopf gewickelt. Ihr Gesicht war braun gegerbt und von Falten durchzogen,
aber ihre Brauen über den hellen Augen waren noch immer geschwungen wie bei einem
Mädchen. Diese Frau muss einmal eine richtige Schönheit gewesen sein, dachte Pestallozzi
erstaunt. Aber so etwas durfte man ja eigentlich gar nicht mehr sagen oder auch
nur denken. Frauenfeindlich sei das, hatte ihn Iris einmal hell entrüstet zurechtgewiesen,
als er das über eine Kellnerin, die sie bedient hatte, gesagt hatte. Aber vielleicht
hatte Iris ja auch nur Angst gehabt, dass man das irgendwann einmal über sie selbst
sagen würde, und dass dieser Tag nicht mehr allzu … Er merkte, dass er noch immer
im Türrahmen stand und die beiden Frauen ihn ansahen. Es war ganz still im Raum,
nur ein Vorhang schwang sacht im Wind. Er räusperte sich und trat in die Küche und
auf die alte Frau zu.
    »Chefinspektor
Artur Pestallozzi, grüß Gott, Frau Luggauer.«
    Die alte
Frau erhob sich, ihre Hand war warm und trocken, aber er konnte die Schwielen spüren.
    »Bitte nehmen
Sie doch wieder Platz. Hoffentlich haben Sie sich von dem Schrecken ein wenig erholt.
Es tut mir wirklich sehr leid, dass Ihnen das widerfahren ist.«
    Wie jung
er ist, dachte Kathi. Aber in meinem Alter ist eben fast jeder jung, dem man ins
Gesicht schaut. Sie setzten sich beide, jeder auf eine Seite der Eckbank. Die Bäuerin
trat an den Tisch. »Wollen Sie vielleicht einen Kaffee?«
    Pestallozzi
schüttelte den Kopf. »Vielen Dank! Ein Glas Wasser wäre mir lieber!«
    Die
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